Das iPhone X bietet nach allgemeiner Meinung eine der besten Smartphone-Kameras auf dem Markt. Bei Aufnahmen mit Tageslicht sind die Fotos kaum noch von denen einer Systemkamera oder DSLR zu unterscheiden, etwa wenn man einen Fotografen mit einem iPhone 8 Plus auf Fotoreise nach Indien schickt . Für unseren eigenen Workshop stand uns allerdings nur das winterliche München und ein Fotoamateur zur Verfügung, was man den Fotos auch ansieht. Aus Gründen der Vergleichbarkeit haben wir außerdem komplett auf die Nachbearbeitung verzichtet.
Aufnahmen zur berühmten „blauen Stunde“ oder bei Mondlicht waren allerdings bisher mit einer iPhone-Kamera kaum möglich – zumindest wenn man sich die Fotos näher ansah und ohne Stativ. Mit einem iPhone X gelingen aber auch bei wenig Licht gute Bilder. Einige Dinge sollte man aber beachten:
Gut: Bessere Bildstabilisierung und lichtstarkes Objektiv
Das iPhone X hat zwei Objektive, eine lichtstarkes „Haupt“-Kamera und eine weniger lichtstarke Telekamera. Vor allem mit der Hauptkamera sind weit bessere Nacht- oder Dämmerungsfotos möglich, als mit älteren iPhones. Grund dafür sind ein lichtstarkes Objektiv, ein guter Sensor und eine gute optische Stabilisierung. Bei Aufnahmen mit schlechten Lichtverhältnissen sollte man sich möglichst auf die Hauptkamera beschränken.

Exkurs Technik:
Interessant für technisch interessierte Fotoamateure: Dank guter Bildstabilisierung sind auch Dämmerungsaufnahmen mit Aufnahmezeiten von 1/8 Sekunden möglich. Auch bei schlechten Lichtverhältnissen wählt die Kamera-App relativ niedrige ISO-Werte und die Verschlusszeit ist relativ lang. Ein Nachthimmel wird dadurch nicht zum Pixelmosaik und Farben und Dynamik bleiben erhalten. Besonders schöne Fotos gelingen mit der iPhone X-Kamera bei ISO 16 oder ISO 50, bei ISO 400 und höher sollte man lieber nicht zu stark in das Bild hineinzoomen. Für Web und Nachrichten ist die Qualität noch ausreichend, für einen DinA4-Ausdruck dagegen weniger.
Live-Photos
In einem früheren Tipp haben wir den neuen Live-Photo-Effekt „ Langzeitbelichtung “ schon ausführlicher vorgestellt. Er eignet sich aber nicht nur für Naturaufnahmen, dank der guten Bildstabilisierung des iPhone X sind damit auch gute Dämmerungsaufnahmen möglich. Die Langzeitbelichtung funktioniert auch bei freihändigen Aufnahmen ohne Stativ und kann beispielsweise Passanten zu Schatten oder Autos zu Lichtstreifen verschwimmen lassen. Profi-Fotografen mit Vollformat-Kamera mögen zwar die Nase rümpfen, die Ergebnisse sind aber sehr ansprechen und machen einfach Spaß. Eine besonders hohe Auflösung haben Live-Photos zwar nicht, für iMessage oder WhatsApp sind sie aber gut brauchbar.

Problemkind Selfie-Kamera
Auch mit der Frontkamera des iPhone X sind im Prinzip erstklassige Porträts möglich: Die Fotos der wenig verbesserten 5-Megapixel-Kamera sind allerdings bei wenig Licht weit schneller verrauscht als bei der Frontkamera. Das glättet zwar Hautunreinheiten, sorgt aber für einen recht künstlichen Look. Ist dies möglich, sollte man Selfies auch beim iPhone X besser bei gutem Licht oder Tageslicht erstellen – vor allem, wenn man die neuen Porträtlicht-Funktionen ausprobieren will. Hier sollte man nicht nur auf gutes Licht, sondern auch einen eher neutralen Hintergrund achten.
Zweischneidiges Schwert: Digitalzoom
Der Digitalzoom ist bei gutem Licht und sparsamer Einsatz gut benutzbar. Verwendet man den 2-fachen Digitalzoom bleibt die Bildqualität gut erhalten. Auf dem iPhone-X-Bildschirm sehen diese Fotos eigentlich noch ganz gut aus, zoomt man aber ein wenig in das Bild hinein, werden schnell Glättungen und Artefakte sichtbar – eine Art Verwischen-Effekt.
Im Unterschied zu früheren iPhones muss man beim 2-fachen Zoom schon auf die 100 Prozent-Ansicht gehen, um Unterschiede festzustellen. Bei höheren Zoom-Stufen steigt aber auch der Qualitätsverlust schnell an. Vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen potenziert sich dies noch, so ist bei 10-fach-Zoom und Mondlicht das Ergebnis eher Pixel-Art als brauchbar.

Tele schaltet sich schnell ab
Was einige anspruchsvollere Amateurfotografen stören wird, ist, dass man sich stark auf die Automatik der iPhone-Kamera verlassen muss. Mit Dritthersteller-Apps wie Pro Camera sind zwar mehr manuelle Einstellungen möglich, allerdings helfen diese Apps nicht immer weiter, wie etwa die Tele-Kamera zeigt. Die Tele-Kamera des iPhone X ist lichtschwach und rauscht schon bei niedrigen ISO-Werten recht stark. Deshalb schaltet sich bei schlechtem Licht automatisch die Frontkamera ein und aktiviert den Digitalzoom, ohne dass man diese beeinflussen kann. Das ist aber im Prinzip kein Nachteil, sondern die beste Lösung. Bei wenig Licht sind Bilder mit der Telekamera nämlich noch schlechter, als bei Nutzung des Weitwinkels mit Digitalzoom.

Nach unseren Tests liegt die Grenze meist bei ISO 160, dann schaltet das System auf die Frontkamera um und aktiviert den Digitalzoom. Bei einzelnen Motiven macht die Telekamera aber auch Fotos mit ISO 400 oder 500, bei denen wir recht deutliche Artefakte sehen. Dies erfolgt übrigens weit später als beim iPhone 8 Plus oder iPhone 7 Plus. Der Wechsel wird leider weder angezeigt, noch ist er vorhersehbar. So aktiviert sich manchmal die Telekamera statt dem Digitalzoom, wenn man mit der manuellen Belichtungssteuerung die Helligkeit herunterregelt oder den Blitz einschaltet. Das erfährt man aber erst, wenn man das Foto auf dem Mac oder in einer App wie Snapseed öffnet: Über die EXIF-Daten wird dann die Weitwinkel-Kamera als 4mm-Objektiv identifiziert, die Tele-Kamera als 6mm-Objektiv.

Vor allem bei iPhone 7 Plus und iPhone 8 Plus ist die Telekamera deshalb eher eine Schönwetter-Kamera.
Hinweis: Im Prinzip kann man über die Software Pro Camera manuell zwischen Telekamera und Weitwinkel-Kamera wählen. Das ist aber auch keine ideale Lösung: Laut Entwicklern werden Aufnahmen mit der Telekamera nämlich zu dunkel, da nur begrenzt hohe ISO-Werte unterstützt werden.

Funktioniert nur eingeschränkt: Späteres Aufhellen und Abdunkeln
Bei einer Systemkamera oder DSLR enthalten RAW-Aufnahmen meist so viel Daten des Bildsensors, dass man problemlos dunkle Bereiche stark aufhellen kann – etwas wenn man einen Sonnenuntergang mit Landschaft aufnehmen will. Bei einem iPhone-Foto ist dies dagegen weit weniger gut möglich. Mit Bildbearbeitungsfunktionen wie dem Regler „Schatten“ in Fotos kann man ein Foto nur begrenzt aufhellen, sollte also bereits bei der Aufnahme auf die richtige Belichtungseinstellung.
Das gilt auch für überbelichtete Stellen im Foto. Bei RAW-Aufnahmen einer DSLR kann man beispielsweise mit dem Regler „Glanzlichter“ oft noch viel retten, bei einer iPhone-Fotografie ist dies nur sehr begrenzt möglich. Das gilt leider auch für RAW-Aufnahmen mit einem iPhone, die man etwa mit Dritthersteller-Apps erstellen kann.
Fazit : Stärke der iPhone-Kamera sind weiterhin Fotos bei Tageslicht, bei schlechten Lichtverhältnissen schlägt sich das iPhone X aber recht gut.