Betriebssysteme sind noch immer der kritischste der Punkte, an denen man Technikunternehmen misst. Apple hat mit OS X 10.8 Mountain Lion jährliche Versionssprünge eingeführt, wie sie mittlerweile auch bei anderen Herstellern üblich sind. Auf der WWDC 2018 hat Apple den Eindruck hinterlassen, ein Wartungsjahr zu absolvieren, 2019 sollten dann endlich größere funktionale Neuheiten nachkommen. Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst: Das sollte macOS 10.15 bringen.
Mojave erinnert an Windows Vista
Mit Vista hatte Microsoft viele neue Sicherheitsfunktionen eingeführt, um Windows besser abzusichern. Mojave fühlt sich in gewisser Hinsicht genauso an, was die Kehrseite der Medaille betrifft: An allen Ecken und Enden fragt das System nach Passwörtern und Apps muss man erst mühselig in den Systemeinstellungen freigeschaltet werden.
Systemanwendungen, die über den Mac App Store installiert sind, haben nicht den vollen Zugriff auf das Dateisystem. Apps wie DaisyDisk bieten hier eine kostenlose Nachinstallation via der eigenen Webseite an. Die “Standalone”-Version kann zum Beispiel Dateien in Systemordnern anzeigen und löschen. Die Version aus dem Mac App Store kann nur die Dateigröße der löschbaren Dateien im Systemordner anzeigen. Durch die Sandbox des Mac App Store verhindert Apple also komplexere Anwendungen. Das Thema Sicherheit ist jedoch schwierig, an irgend einer Stelle müssen Abstriche an der Bequemlichkeit gemacht werden.
Dennoch muss sich Apple etwas einfallen lassen. Professionelle Nutzer installieren Anwendungen wie DaisyDisk, um etwas mehr Kontrolle über ihren Mac zu bekommen. Allerdings bremsen hier die Systemeinstellungen aus, denn für jede Berechtigung muss ein Haken gesetzt werden.
Beispiele sind hier vor allem Terminal- und Datenbankanwendungen für Software-Entwickler. Eine mögliche Lösung wäre, Profile einzustellen oder gar komplett virtuelle Umgebungen zu erstellen. Sprich: Ein Software-Entwickler kann sich eine Kopie des aktuellen Systems erstellen und darauf alle Anwendungen installieren.
Diese virtuelle Umgebung kann dann getrennt von privaten Umgebungen genutzt werden. Eine Linux-Distribution mit dem Namen QubesOS macht vor, wie dies gehen könnte. Apple könnte hier also den Mac komplett für professionelle Nutzer ausrichten, und mit iOS 13 alle anderen Nutzer ansprechen. Das iPad ist preislich auch schon auf einer Ebene mit den Macbooks.
Dashboard und Mitteilungszentrale
Der Konkurrenz von Android um Jahre voraus und trotzdem nie auf iOS portiert: Das Dashboard. Liebhaber der Systemfunktion können nicht ohne und Neulinge wissen gar nicht, dass es sie gibt. Auch die Mitteilungszentrale ist ein Bereich in macOS, die dringend einer Konsolidierung bedürfen. Anwendungen wie Things (ToDo-App) müssen zudem im Hintergrund immer offen sein, damit das Widget in der Mitteilungszentrale benutzbar ist.
Eine Lösung dafür ist aber schwer. Viele Nutzer und Kenner schauen hier auf watchOS, das mit den Komplikationen verschiedene Informationen anzeigt, ohne zu viel Platz auf dem Bildschirm zu beanspruchen. Apple nutzt auf dem Mac aber seit jeher die immer sichtbare Menüleiste, die vor Jahren hinzugekommenen Widgets für die Seitenleiste und die Widgets für das Dashboard. Apple soll und muss aber endlich aufräumen.
Mehr Automatisierung, bitte
Mit dem damaligen Abgang von Automator-Legende Sal Soghoian und dem Kauf der App “Workflow” hat Apple eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Siri-Aktionen, die automatisiert das Nutzerverhalten auslesen und die eigene Anwendung “Workflow”, mit der Nutzer komplexe Automatismen einstellen, zeigen Apples Richtung hin zu mobiler Automatisierung auf.
Sehr zum Leidwesen der Desktop-Anwendung Automator, die schon seit Jahren keine nennenswerte Neuerung mehr gesehen hat. Zwar kann mittlerweile mit Hilfe von JavaScript komplexe Vorgänge dargestellt werden, dennoch fehlt das Gefühl der Einfachheit, das unter iOS zu spüren ist.
Auch hier könnte Apple Altlasten entfernen und die Automatisierung von iOS auch unter macOS implementieren: Workflow statt Automator. Nachteil ist hier sicherlich, dass App-Entwickler diese Schnittstellen unterstützen müssten. Der App Store an sich ist auf dem Desktop nicht all zu beliebt, was das Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Wäre da nicht die größte Neuerung von macOS 10.15.
Marzipan: iOS Apps unter macOS
Microsoft hat das Problem von unterschiedlichen Anwendungen für verschiedene Plattformen angepackt und schreibt selbst große Applikationen wie Microsoft Office komplett in JavaScript mit der Hilfe von Electron, einer Open-Source-Variante, um JavaScript-Code auf Desktop-Systemen laufen zu lassen, und nicht nur im Browser.
Apple hat zwar mit Swift eine neue Programmiersprache eingeführt und alte Objective-C-Elemente rausgeschmissen, dennoch fehlt bislang eine einheitliche und einfach gestaltete Oberflächen-Gestaltungsbibliothek. Auch behandelt Xcode iOS- und macOS-Anwendungen noch verschieden.
Im Hintergrund arbeitet Apple seit ein paar Jahren an einer Bibliothek (interne Bezeichnung ist “Marzipan”), welche die Entwicklung von iOS- und macOS-Apps vereinheitlichen will. Sprich: Entwickler erstellen eine App, die sich nur noch in Displaygröße unterscheidet und kaum in Funktionsumfang und Darstellung.
Touchbar: Keine Besserung in Sicht
Das ewige Thema Touchbar: Kaum brauchbar, und selbst das neue Macbook Air (2018) hat nur den Touch-ID-Sensor und nicht die grafische Leiste. Die Frage ist also: Nicht alle Macs besitzen sie, ergibt es also Sinn, macOS auf die wenigen Macbook Pro zu optimieren? Anwendungen alleine werden kein Kaufargument darstellen, das gesamte Betriebssystem müsste sich mit Hilfe der Touchbar einfacher navigieren lassen.
Kann also sein, dass die Hardwareentwicklung schneller als die der Software war, und Apple noch einiges im Köcher hat, wenn es um die Touchbar geht? Darauf hoffen sollten Sie nicht, es scheint als ob Apple keinen Rückzieher macht, wie auch bei den Schmetterlingstastaturen, die bleiben. Die Notch auf dem iPhone ist mittlerweile etabliert und andere Hersteller kopieren die für viele lästige Kerbe. Mit der Touchbar aber hat man tief ins Klo gegriffen: Eine Besserung ist nicht in Sicht.
iTunes: endlich aufteilen
Gerüchte um eigene TV-Serien befeuern den Wunsch vieler Apple Nutzer, einen eigenen Streaming-Dienst anzubieten. Zu Apple Music kommt 2019 mit Sicherheit auch Apple Movies respektive Apple TV hinzu. Dies könnte auf dem Mac auch endlich zur Folge haben, dass Apple das iTunes-Monstrum teilt, und eigene Musik-, TV- und Podcast-Anwendungen herausbringt – wie es unter iOS ja längst der Fall ist.
Genau wie damals mit iWork könnten so die Anwendungen erst bei Bedarf eigens installiert und dann aktualisiert werden. Auch ist iTunes eine der wenigen Anwendungen, die das “i” noch im Namen haben. Alle Zeichen deuten auf eine Apple-Music- und eine davon getrennte Apple-Movies-Anwendung für macOS hin. Im Rahmen des Projekts Marzipan könnte Apple einfach auch die App TV für den neuen Dienst portieren – und ja nicht nur die.
Synchronisierung von Benachrichtigungen
Durch Designentscheidungen der letzten Jahre gleichen Macbooks auf den ersten Blick immer mehr iPads und iPhones. Nicht nur geben Sie einen Ladeton beim Einstecken des Ladekabels aus, auch beim Startvorgang sehen sie aus wie ein iPad – nur mit Deckel. Wenn schon iPad-Apps auf den Mac kommen, so sollte der Mac auch langsam einheitlich im iCloud-Ökosystem behandelt werden. Sprich: Mitteilungen von iOS mit macOS zu synchronisieren.
Egal ob Anrufe, Nachrichten oder E-Mails: Einmal am iPhone gelesen, sollte die Benachrichtigung auch auf dem Mac verschwinden. Die Infrastruktur ist da, jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es umgesetzt wird. Wir meinen: 2019 ist das Jahr, in dem es geschehen wird.
Deinstallation von Anwendungen
Selbst mit dem neuen Speicherverwaltungsprogramm ist es nicht leicht, Software komplett vom Mac zu entfernen. Klar, das Icon ist schnell im Programme-Ordner gefunden und die App dann rasch gelöscht, jedoch müssen sich Nutzer immer noch mühselig durch das System klicken, um Restbestände aller Anwendungen zu finden. Seien es geteilte Dateien im iCloud oder Systemeinstellungen im “Application Preferences” Ordner.
Auch hier zeichnet sich keine Änderung ab. Wir hoffen aber, dass sich Apple ein Herz nimmt und dem Dateien- und Anwendungschaos endlich den Kampf ansagt.
Und was ist mit den Pro-Nutzern?
Bislang ist wenig durchgesickert, was Apple für seine professionellen Nutzer plant. Für 2019 hat Apple einen aktualisierten Mac Pro versprochen, der wieder modular aufgebaut sein wird und daher erweitert werden kann . Im kommenden Jahr muss macOS also eine erweiterte Bandbreite von Hardware unterstützen.
Wie Apple den Spagat zwischen iOS und macOS schaffen will, bleibt weiter ungewiss. Für Wünsche muss man sich nur im Linux-Umfeld umschauen. Da macOS nicht wirklich Erträge bringt (schon vor wenigen Jahren wurden iOS und macOS Teams vereinheitlicht) und Microsoft mittlerweile Open-Source-Anführer ist, wäre eine Möglichkeit, macOS ein Stück weiter zu öffnen. Ein eigener Paketmanager, um Kommandozeilen-Programme zu installieren, wäre eine Möglichkeit, oder wie bereits weiter oben angesprochen, die Option, macOS in sich selbst zu virtualisieren um so mit einem Klick Software-Entwicklungsumgebungen zu klonen und starten.
Allerdings kann das mit begrenzten Ressourcen nicht gestemmt werden, wir sind bezüglich wesentlicher Neuerungen eher pessimistisch gestimmt. Siri und Automatisierung wird von iOS kopiert und den Mac App Store Entwicklern als Schnittstelle angeboten.
Apple scheint es darum zu gehen, iOS auf dem iPad zu etablieren, und macOS so lange am Leben zu halten, damit Entwickler nicht auf Windows-Plattformen wechseln.
Fazit
Wenn wir Tim Cook und seinen Kollegen im Apple-Vorstand Glauben schenken, so stehen uns einige wichtige Neuerungen unter macOS bevor. Der interne Status von macOS hat sich jedoch nicht geändert, im Gegenteil. Die Betriebssysteme iOS und watchOS geben den (Innovations-) Ton an und bekommen auch die meisten Ressourcen zugeteilt.
Mit den Änderungen 2019 wird das Macbook mitsamt macOS in die dritte Reihe verbannt. Anwendungen, die für iOS konzipiert wurden, können mit Hilfe von Marzipan auch auf dem Mac laufen. Mitteilungen werden von iOS synchronisiert. iTunes wird aufgeteilt und wie unter iOS gibt es Musik- und TV-Anwendungen. Auch beim Thema Automatisierung wird sich Apple viel von iOS abschauen und unter macOS implementieren.
“macOS goes iOS” ist also die große Überschrift. Jahrelang gab es Rufe aus der Anwenderschaft, man solle doch endlich macOS auf das iPad bringen, um endlich vernünftig darauf arbeiten zu können. Apple geht aber volle Richtung auf iOS und extrem mobiles Arbeiten. Dort liegt die Zukunft. Hartgesottene macOS-Fans werden das nächstes Jahr zu spüren bekommen.
Ist das jetzt gut oder schlecht? Es kommt auf Apples Entwickler an, wie sie die beiden Systeme verbinden und vorantreiben. Wenn der Mac als billiger Abklatsch zum iPad verkommt, werden professionelle Nutzer liebend gerne zu Windows-Maschinen greifen. Eine Gefahr, die zuletzt vor zehn Jahren größer war als heute.