Wann immer ich anderen Autoren erzähle, warum sie sich Mac für ihren Beruf und für ihre Privatangelegenheiten holen sollten, führt die Diskussion unweigerlich zu Ulysses. Tatsächlich geschieht dies manchmal ohne jedwede Initiative meinerseits: Sie sehen mich einfach auf Messen oder Kongressen mit der minimalistischen App auf meinem iPad oder Mac tippen und wollen wissen, wie sie das auf ihren PC bekommen. Aber das können sie nicht, und meiner Erfahrung nach sind die verfügbaren Alternativen nicht ausreichend. Ulysses ist elegant. Es ist intuitiv. Und dank einiger neuer Funktionen ist es nun nützlicher denn je.
Was ist aber Ulysses genau? Kein organisatorisches Kraftpaket in der Art von Scrivener, das herkulische Aufgaben erledigen lässt, aber in seinem Versuch, eine Software für alle denkbaren Zwecke zu sein, in Hässlichkeit untergeht. In Ulysses kann man seine verschiedenen “Blätter” in Gruppen mit Schlüsselwörtern zusammenfassen und man kann jede Gruppe auf einmal nach Stichwörtern durchsuchen, recht komplexer wird die Organisation in dem Programm auch nicht mehr. Ulysses ist kein Vollblut-Textverarbeitungsprogramm wie Microsoft Word mit seinen Tabellen und Zeichenwerkzeugen und WYSIWYG-Exporten, aber Ulysses erlaubt es Ihnen, Dokumente in eine Vielzahl von Stilvorlagen zu exportieren – und einige von ihnen sind sogar benutzerdefiniert. Noch besser: Sie können Ihre Artikel direkt auf WordPress oder Medium veröffentlichen.

©Leif Johnson / IDG
In der Praxis geht es bei Ulysses nur um Sie, Ihre Worte und die Seite, worauf Sie diese schreiben. Es geht um knackige weiße Wörter, die auf einem Vollbildmeer aus tiefschwarzem Schwarz landen (oder Weiß auf Schwarz, wenn Sie nicht gerne im Nachtmodus arbeiten). Es ist die feinste der minimalistischen Schreibanwendungen. Diese Einschätzung verdient sie, weil sie nur eine einzige benutzerdefinierte Schriftart zum Schreiben erlaubt, der Export erfolgt immer im Plain-Text-Format. (Sorry, IA Writer, aber ich komme einfach am Besten mit einer 14-Punkt Verdana zurecht.) Es gibt keine begrenzenden Seitenränder, um die man sich Sorgen machen muss, und der ressourcenschonende Minimalismus erlaubt es, neue Dokumente mit rasanter Geschwindigkeit anzulegen. Ich kann Ulysses in eine Ecke des Monitors verkleinern, während ich den größten Teil meines Bildschirms der Webseite widme, auf der ich recherchiere. Traditionelle Textverarbeitungsprogramme, wie Word, fühlen sich zu sehr wie lästige Büroarbeit an. Ulysses’ Schönheit und Minimalismus lassen das Schreiben eher wie ein Kreativprozess erscheinen. Vergleichen Sie es mit Apples Programmen Pages oder Notizen: Selbst diese übertrifft Ulysses.
Großer Pluspunkt Markdown
Aber da ist noch mehr: Ulysses ist in erster Linie ein minimalistischer Markdown-Editor, der eine spezielle Version von Markdown namens Markdown XL einsetzt. Sie wissen nicht, was Markdown ist? Es ist ein einfaches System von Abkürzungen, die Veröffentlichung von Web-Inhalten einfacher macht. Aber Sie können Ulysses ganz ohne die Auszeichnungssprache verwenden, wenn Sie möchten, und Sie einfach Ihr Werk per Kopieren und Einfügen in einen Editor mit mehr Funktionen wie Google Docs ein. Aber es dauert nicht zu lange, Markdown zu erlernen, was ein Teil von dessen Attraktivität ist. Glücklicherweise kommt Ulysses mit einem Bündel leicht verständlicher Anleitungen, die die einfache und beliebte Formatierungssprache für Internetinhalte erklären, sowie einer praktischen Übersicht der Shortcuts, die sich über einen Knopf zuschalten lassen. Sie können die Grundlagen von Markdown so innerhalb von Sekunden erlernen.

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Markdown funktioniert also wunderbar in Ulysses, und glücklicherweise, ohne den störenden Code für Hyperlinks einzublenden, wie es bei Konkurrenten wie iA Writer der Fall ist. Das Konvertieren von Markdown-Text in HTML in Ulysses ist eine einfache Sache, indem Sie alles auswählen, mit der rechten Maustaste klicken und den Text als HTML kopieren und ihn in das CMS Ihrer Wahl kopieren. Der überwiegende Teil meiner Arbeit für Macworld läuft so ab.
Neuerungen für Programmierer
Ulysses funktioniert schon seit Jahren auf diese Weise, aber die neuesten Updates macht die Software für Programmierer attraktiver. Diese schätzten Ulysses schon lange mindestens so sehr wie Autoren, aber in der Vergangenheit vermischte sich der erstellte Programmcode zu leicht mit dem regulären Text, mit all dem Minimalismus und Markdown. Jetzt klicken Sie einfach auf die Taste ` (Hochkomma, respektive Shift-#), um einen Codeblock zu starten, und Ulysses formatiert ihn in einer nicht proportionalen Schrift, die sich vom normalen Text um den Block herum deutlich unterscheidet. Zumindest für Programmierer erhöht das den Nutzen von Ulysses erheblich, zumal das Programm über 40 Programmiersprachen erkennt und deren Syntax exakt einfärbt.
Und bei aller scheinbaren Einfachheit von Ulysses finden Sie im Hintergrund weitere Optionen, die dort unauffällig auf ihren Einsatz warten. Es gibt einen Wort- und Zeichenzähler, der nur durch ein kleines Symbol auf der Taskleiste sichtbar ist. Es gibt einen Schreibmaschinenmodus, der Ihre Aufmerksamkeit auf die Handvoll Wörter direkt vor Ihnen lenkt. Sie können sich Ziele für die Wortzählung setzen und beobachten, wie ein minimalistischer Kreis auf der rechten Seite Ihres Bildschirms immer voller wird, je mehr Sie an Ihr Limit gelangen: Das ist elegant und befriedigend. Das jüngste Update hat das weiter verbessert, da Sie jetzt Deadlines setzen können – das hält Sie auf Trab.

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Gibt es auch einen Haken? Ja: dieser besteht darin, dass Ulysses ein Abonnement benötigt, das 4,99 Euro pro Monat im Mac App Store kostet (Jahresabo für 39,99 Euro). Immerhin gibt es eine 14 tage laufende voll funktionsfähige Testversion für Mac, iPad und iPhone. Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich von Abonnementmodellen halte, aber in meinem Fall benutze ich Ulysses mehr als genug, um mir den Preis als relativ günstig zu rechtfertigen. Ich finde das plattformübergreifende Abonnement besonders nützlich für meinen Workflow, da ich dazu tendiere, Entwürfe auf meinem Mac bei der Arbeit zu schreiben und sie dann auf meinem iPhone oder iPad zu bearbeiten, während ich auf der Couch liege. Das funktioniert normalerweise perfekt, aber ich habe auch einige Synchronisationsschwierigkeiten erlebt und bin mir nicht sicher, ob ich Apple oder Ulysses dafür verantwortlich machen soll.

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Das reicht aber nicht aus, um mich in die Arme einer konkurrierenden Anwendung zu treiben (obwohl ich immer wieder andere ausprobiere, um sicherzustellen, dass meine Bewunderung nicht fehl am Platz ist). Ulysses ist vielleicht kein Apple-Produkt, aber es ist eines der besten Dinge, setzt man Mac, iPhone und iPad ein. Das Erlebnis bleibt bei jedem Gerät bemerkenswert gleich, und es fühlt sich in der Regel auf jedem Gerät gleichermaßen gut an. Möge es noch lange so bleiben.