Jede neue iOS- oder macOS-Version sorgt bei einigen Entwicklern auch für Ärger und Enttäuschung: Immer wieder integriert Apple nämlich neue Funktionen in seine Betriebssysteme, die es zuvor als eigene Apps gab. Durch kostenlose Bereitstellung entzieht Apple aber diesen Entwicklern oft die Geschäftsgrundlage, was in Mac-Kreisen auch als „Sherlocked“ bezeichnet wird – eine Anspielung an das Tool Watson von Karelia Software, das Apple mit der Systemfunktion Sherlock vom Markt fegte.
Sidecar als kostenlose Konkurrenz
Mit Sidecar bietet Apple unter iPadOS und macOS 10.5 die neue Option, ein iPad als zusätzlichen Bildschirm zu nutzen. Keine gute Nachricht für Firmen wie Duet Display und Luna Display, die schon seit Jahren diese Funktion als Bezahl-App und Hardware-Adapter bereitstellen. Dabei hatte es Apple Duet Display in den letzten Jahren ohnehin bereits schwer gemacht, da neue Sicherheitsfunktionen viel Anpassungsarbeiten verursachten. Ein weiteres Problem: Für den Hersteller eines Hardware-Gerätes wie dem Adapter Luna Display geht schnell um Probleme mit hohen Vorleistungen.
Der Hersteller des neuen Wifi-Adapters sah sich jetzt offenbar auf seiner Webseite zur Klarstellung genötigt: „ We´re noch going anywhere “. Der 80 Dollar-Adapter sei für professionelle Anwender weiter die überlegene Lösung, so biete er etwa die Unterstützung mehrerer Nutzer und man könne dank ihm sogar ein iPad als alleinigen Display eines Mac Mini oder Mac Pro nutzen – was Apples Sidecar nicht unterstützt. Auch eine Windows-Version wäre geplant. Luna Display hat das zusätzliche Problem, dass auch das zweite Produkt mit Sidecar konkurriert: Die Software Astropad, die eine Steuerung des Macs per iPad-Touchbewegungen und Pencil ermöglicht. Auf einer eigenen Webseite hat der Hersteller deshalb die Funktionen von Luna Display und Astropad mit Apples Sidecar verglichen. Gegenüber der Seite Appleinsider kritisierte der Gründer von Luna Display aber auch Apples Umgang mit seiner Firma. So habe Apple etwa nach der Vorstellung ihres Adapters dutzende Geräte erworben, aber wohl vor allem um Marktforschung zu betreiben. Zudem nutze Apple einen unfairen Vorteil: Für die Kommunikation zwischen iPad und Mac verwende Sidecar ein spezielles API, auf das nur Apple selbst Zugriff habe – ein Wi-Fi Stack, der besonders hohe Performance biete und den Datenverkehr Sonderrechte einräume.

©Duet Display
Aber auch die Entwickler der App Duet Display mussten sich bereits auf Twitter die Frage gefallen lassen, ob sie nicht durch Catalina und iPadOS überflüssig geworden wären ? Was sie natürlich entschieden verneinen. Laut dem CEO von Duet Display, einer App für die Nutzung des iPad als Display, war man aber von Sidecar nicht wirklich überrascht. Ihre App sei für fünf Jahre eine der Top-10 iPad-Apps gewesen, was für Apple ein gutes Indiz für hohe Nachfrage gewesen wäre. Ihnen wäre von Anfang klar gewesen, dass sie nur durch Innovation mithalten könnten. So biete Duet Display bereits mehr Funktionen als Sidecar und wäre auch mit Windows kompatibel. Im Unterschied zu Sidecar gibt es ja etwa Anpassungen für die Nutzung des Apple Pencil, Remote Desktop-Unterstützung. Auch die Nutzung per Lightning-Kabel ist möglich und man kann die App als Hauptdisplay nutzen. Immerhin würde durch Sidecar diese Nutzungsart des iPad beim Anwender bekannter.
Taschenrechner
Duet und Luna Display sind aber nicht allein: Kritik kam laut Appleinsider aber auch vom Entwickler des Tools PCalc , einer beliebten Rechner-App. Die seit 1992 verfügbare App ist aktuell bereits für Mac, iOS, wachOS und der Apple Watch verfügbar und bietet seit Jahren eine Funktion für das Berechnen von Trinkgeld – in den USA eine sehr beliebte Funktion. Er hatte deshalb nicht gerade die schönsten Gefühle, als bei der Keynote von Apple eine WatchOS-App mit Trinkgeld-Berechner vorgestellt wurde – und vom Publikum begeistert beklatscht wurde.

Unsere Meinung:
Die Kritik der Entwickler ist teilweise berechtigt. Es ist unschön, dass sich Apple exklusive Wi-Fi-Protokolle reserviert und nützliche Funktion aus bekannten Apps abstaubt. Andererseits setzt Apple immer darauf, möglichst große Nutzergruppen zu erreichen. Entwickler haben deshalb die Möglichkeit, durch innovative Spezialfunktionen Kunden zu überzeugen – zumindest ein schwacher Trost. Ähnlich sieht dies etwa der Apple-Kenner Jason Snell, der deshalb noch viele Chancen für Luna Display sieht – was wohl auch Duet Display gilt.
Schließlich steht Apple durch Android und Windows unter Druck, immer mehr nützliche Funktionen ins System zu integrieren. Eine Taschenrechnerfunktion für die Apple Watch war einfach überfällig, ebenso die Nutzung des iPads als externes Display. Bei der Kommunikation mit Entwicklern war aber Apple allerdings schon oft wenig feinfühlig und könnte wohl mit etwas mehr Diplomatie einige Wogen glätten.