In einem US-Konzern wie Apple ist der General Counsel oder CLO eine der höchsten Positionen – er gehört zum Top-Management und erfüllt eine Rolle, die bei Apple auch mit einiger Außenwirkung verbunden ist. In einem interessanten Gespräch mit angehenden Anwälten berichtete jetzt Bruce Sewell, von 2009 bis 2017 General Counsel bei Apple, von seinen Erfahrungen als Chefanwalt. Zwar richtet sich das Interview an angehende Firmenanwälte, man erfährt aber viele interessante Details zu Apple und einigen Rechtsfällen. So besteht Apples Rechtsabteilung aus knapp 900 Personen, davon sind 600 juristische Mitarbeiter – was aber keineswegs für alle Aufgaben ausreicht. Allein die Prozesse mit Samsung sorgten für einen rasanten Arbeitsanstieg, der nur mit externen Kräften bewältigt werden konnten. 350 Personen wurden beschäftigt, die laut Sewell 280 000 Arbeitsstunden in Rechnung stellten. Vor allem diese externen Firmen sind der Grund dafür, dass Apple Legal Department über ein recht üppiges Budget von knapp einer Milliarde verfügt.
Über Apple spricht Sewell sehr positiv, die Zusammenarbeit mit Tim Cook habe aber für einen frühen Arbeitsbeginn um 6:30 gesorgt: Steht doch Tim Cook um 4:00 Uhr auf, „a little crazy in his work schedule“, so Sewell. Etwa 35 bis 40 Prozent seiner Arbeitszeit hätte er auf Reisen verbracht, sehr zeitaufwendig waren offenbar auch die Verhandlungen mit Google. Wie er berichtet, hätten die Besprechungen mit Google zur Zusammenarbeit im Suchmaschinengeschäft zu vier Monate fast täglicher Meetings mit Sundar Pichai und Kent Walker von Google, sowie Tim Cook und Eddy Cue von Apple geführt.
Vor Apple war Sewell 14 Jahre bei Intel, die Atmosphäre beider Firmen beschreibt er als völlig unterschiedlich – was er natürlich nicht als erster feststellte. Ein wenig wäre der Wechsel von der formellen Firma Intel zur kreativen und laissez-fair haften Firma Apple wie der Wechsel von „university to kindergarten“ gewesen. Man hätte den Eindruck gehabt, bei Intel würden die guten Ergebnisse durch Ordnung erzielt, bei Apple die unglaublichen Erfolge durch eine Art Chaos. Ein weiterer Unterschied sei der große Einfluß der Außenwirkung: Apple habe im Unterschied zu Firmen wie Intel eine sehr nach außen wirksame Marke. So musste sich selbst die Rechtsabteilung mit der PR-Abteilung abstimmen.
In den letzten Jahren habe sich aber bei den Rechtsabteilungen der Konzerne stark verändern. Das betreffe auch die Rolle des General Counsel: Von einer administrativen Funktion habe er sich weit stärker auf Bereiche wie Litigation (Prozesse) und internationale Transaktionen verlagert. Früher hätte Firmen viele juristische Aufgaben komplett ausgelagert, in den letzten Jahren haben Unternehmen aber immer größer eigene Rechtsabteilungen aufgebaut. Vor allem in Bereichen wie Patente und Lizenzen wären diese Bereiche aber im eigenen Unternehmen auch besser aufgehoben. Die Aufgabe eines Anwalts in einem Unternehmen unterscheide sich übrigens stark von der in einem Anwaltsbüro: In der Kanzlei sei der Anwalt selbst das „Produkt“ des Unternehmens, dagegen in einem Unternehmen wie Apple nur ein Teil des größeren Ganzen und müsse seine juristische Arbeit auf die Aufgabe der Firma ausrichten. Das zeige sich auch beim Umgang mit Risiken: Während man als Anwalt Risiken möglichst ausschließe, wären sie aus Unternehmenssicht ja sehr notwendig – und würden akzeptiert. Als ein Beispiel nennt er die fast schon berüchtigten iBook-Verhandlungen, bei denen Apple unwissentlich ein hohes Risiko einging. Wie Sewell erzählt, waren Apple einige Absprachen von Verlagen nicht bekannt, was zu einer hohen Strafzahlung durch die US-Regierung führten. Für diese hohe Strafe war Sewell als Chef Counsel verantwortlich, laut Tim Cook hätte er aber die richtige Wahl getroffen und er wurde dafür nicht kritisiert.
2017 hatte sich Sewell von Apple getrennt, er ist nun im Board verschiedener Unternehmen – unter anderem einem Startup für AI.