Seit dem 10. Oktober ist die Insta360 One X im Handel, das Nachfolgemodell der 360-Grad-Kamera Insta360 One, die wir im letzten Jahr im Test hatten . Auf den ersten Blick unterscheidet sich die One X kaum davon, das schwarze Gehäuse ist auch wieder wasserdicht – für Action-Aufnahmen ein absolutes Muss. Wesentliche Unterschiede zeigen sich aber schon, wenn man die App aus dem App Store lädt – man benötigt für die neue Kamera auch eine neue App, was die Sache ein wenig unübersichtlich macht. Hier können wir das iPhone aber nicht nur via mitgeliefertem Lightning-Kabel mit der Kamera verbinden (eines für USB-C liegt auch bei, die App wird es auch für Android geben), sondern auch per WLAN.
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Kleine Probleme bei der Verbindung
Das Vorgängermodell beherrschte lediglich Bluetooth, was den Datendurchsatz einschränkt. So mussten wir die Kamera immer an das iPhone stöpseln, um sie vom großen Bildschirm aus steuern zu können. Vor einem Jahr hielten wir das für eine etwas wacklige Angelegenheit, nun aber entfällt die Notwendigkeit einer Kabelverbindung, wenn wir per Wi-Fi mit der Kamera kommunizieren.
Ein Problem mussten wir jedoch lösen, die automatische Verbindung klappte bei unserem Vorserienmodell nicht. Das Wi-Fi der Kamera schaltet sich zwar sofort ein und ist auch in unseren Einstellungen auf dem iPhone zu sehen, doch das Passwort finden wir weder in der Anleitung noch auf einem Aufkleber, sondern erst in den Einstellungen auf der Kamera, durch die wir mit den beiden Knöpfen an der Front navigieren.

Beim Filmen draußen ist WLAN für die Kommunikation mit der Kamera die erste Wahl, das iPhone lässt sich so als Fernbedienung nutzen. Im Büro sucht sich das Telefon das stärkste Netz und das ist dort nicht das der Kamera …
Filme werden durch Bearbeitung erst schön
Das wesentliche Produktversprechen der Kamera ist aber: Erst schießen, dann fragen. Nein, erst fotografieren/filmen und dann fokussieren. Die beiden Objektive mit extremer Fischaugenlinse nehmen (bewegte) Bilder tatsächlich rundum auf, also nicht nur das Panorama, sondern auch Himmel/Decke und Boden. Einen sinnvollen Film erhält man erst durch Nachbearbeitung, gerade bei Action-Aufnahmen muss man die Perspektive immer wieder anpassen, je nachdem, wo die entscheidenden Szenen sich abspielen.

Mit Desktop-Software gelingt uns das nicht, weder der InstaPlayer noch InstaStudio des Herstellers sind auf das Format der neuen Kamera ausgerichtet. Das ist aber kein Problem und im Gegenteil sogar so beabsichtigt: Denn vor dem Teilen steht die Bearbeitung direkt auf dem iPhone.
Raum ist relativ
Und die ist in vielen Punkten selbsterklärend und einfach umgesetzt. Für unsere Aufnahmen vom Handball (Damen, D-Jugend, Mini-WM) bewegen wir nicht die Kamera, sondern in der fertigen Aufnahme den sogenannten Pivot-Punkt, also jenen Punkt, der in der Mitte des Bildes zu sehen sein sollte. Von Angriff zu Angriff setzen wir ihn entsprechend in die Hälften des Spielfeldes, in denen Ball und Spielerinnen sich aufhalten. Im fertigen Film schwenkt dann die Kamera scheinbar hin und her, dabei hatten wir sie die gesamte Zeit immer nur in einer Orientierung gehalten. Und am Schluss schwenken wir noch auf das enthusiastische Publikum, das “hinter” der Kamera saß – aber Ausrichtungen wie vorne, hinten, rechts und links sind bei 360-Grad-Kameras nun einmal relativ.

Das zeigt auch unsere kurze Führung durch die Parkstadt Schwabing, Standort unseres Verlages IDG. Wie im Film zu sehen ist, setzen wir den Pivot-Punkt mehrmals um. Und nur dieser ist entscheidend bei der Ausgabe als Film im Format 16:9, wie wir kurz vor Schluss sehen, wenn Kameramann und Kamera in die andere Richtung laufen. Technisch gesehen drehten wir die Kamera um 180 Grad, das Bild bleibt aber noch auf die Bäume “hinter” uns konzentriert, die sich erst ein weiteres Stück entfernen und dann wieder näher kommen – wir haben den Pivot-Punkt nicht umgesetzt. Die an dieser Stelle im Video angesprochenen Gebäude im Hintergrund sind kaum als Büros von Amazon zu erkennen, Zoomen ist nicht möglich.
Was uns aber gut gefällt, sind zwei Dinge: Zum einen die Bildstabilisierung – Unsere Schritte sind zwar zu erkennen, das Bild wird dadurch aber auch ohne Gimbal kaum verwackelt. Zum anderen sind der ausfahrbare Selfiestick und die Kamera selbst im Film nicht zu sehen. Der Kameramann scheint nur mit einer hohlen Hand durch die Gegend zu laufen. Wollten wir im Übrigen während der zwei Minuten nur den Kameramann zeigen ( bloß nicht!, Anm. d. Red. ), müssten wir da gar nicht viel mit den Pivot-Punkten arbeiten, sondern einfach auf dem iPhone in der App das Gesicht in die Mitte des Bildschirms rücken und die Funktion Smart Track aktivieren – der Fokus bleibt stets auf die sich bewegende Person. Das gelingt uns in unserem Test auch mit dem Rauchmelder im Wohnzimmer (nicht für die Öffentlichkeit, da unaufgeräumt) oder der Uhr an der Wand. Es gelingt aber nicht mit dem Handballschiedsrichter, da dieser zu weit weg ist – und damit auf dem Bild zu klein wirkt.
Doch auch andere Bearbeitungsmöglichkeiten bietet die App. So können wir etwa Farbfilter anwenden, den Clip zuschneiden oder einzelne Passagen schneller (bis zu viermal) oder langsamer (bis zu achtmal) ablaufen lassen. Die App hatten wir noch direkt vom Hersteller bezogen, zum Testzeitpunkt war sie noch nicht komplett lokalisiert, die Werkzeuge konnten wir aber auch ohne Mandarin-Kenntnisse bedienen. Die Bearbeitung respektive die Vorschau der Wirkungen hat ihre Grenzen, Zeitlupe und Zeitraffer sehen wir erst, wenn wir den Film exportieren.

Mehr Action mit Bullet Time
Für uns nicht unbedingt von Nutzen, für die Zielgruppe von Action-Kameras aber sehr wohl: Clips kann man auch ohne Weiteres in die einschlägigen sozialen Netze exportieren, auf Youtube und Facebook sogar live – und in 360 Grad. Noch ein Feature für die Live-Action: Bullet-Time-Aufnahmen. Wir schrauben eine Halterung für eine Nylonschnur in das Objektivgewinde und nach einem längeren Druck auf den Auflöser wird die Zeitlupenaufnahme aktiviert – und nicht nur diese. Denn wenn wir die Kamera über unseren Kopf herumwirbeln, sind immer wir in der Mitte des Bildes und in einer Drehung die Umgebung um uns herum. Beim Test war unser Actionsport jedoch Spazierengehen im Park, weswegen wir auf eine Veröffentlichung hier verzichten. Wie das bei mehr Tempo und in einer spannenderen Umgebung aussieht, zeigen diverse Videos auf der Website des Herstellers. Die Auflösung der Bullettime-Zeitlupe lässt sich auf 50 oder 100 fps einstellen, nur auf diese beiden Werte.
Die Auflösung der Kamera gibt der Hersteller mit 5760 * 2880 bei 30 fps an, 3008 * 1504 sind es bei 100 fps: 5,7K sagt Insta360, bei 100 fps 3K. Rundum-Fotos nimmt die Kamera mit 18 MP, (6080 * 3040 Pixel) auf. Die Batterie hat eine Nennkapazität von 1200 mAh, uns hat das für eine gute Stunde Filmen gereicht, detailliert testen konnten wir die Akkulaufzeit aber noch nicht. Aufgeladen war er aber recht flott. Die mitgelieferte Micro-SD-Karte (64 GB) bietet ausreichend Platz für 80 Minuten Film, hat man ein iPhone mit hoher Speicherkapazität kommt man mit einer Karte erst einmal gut aus, da sich die Clips auch auf das Telefon herunterladen lassen – danach kann man sie auf der Karte ja löschen.
Fazit
360-Grad-Kameras machen Spaß, vor allem, wenn es bei Arbeit, Sport und Spiel rege Action gibt, die man auf 360-Grad-Videos packen will, respektive daraus spannende Filme mit raschen Perspektivwechseln basteln will. Wir wünschen uns jedoch noch eine passende Desktopsoftware vom Hersteller, auch wenn die Bildschirme unserer iPhones immer größer werden. Der Preis von 460 Euro direkt beim Hersteller ist jedoch eine hohe Hürde, man sollte sich genau überlegen, ob und vor allem wann man eine solche Kamera benötigt. An ihrer Qualität gibt es nichts auszusetzen.