Dr.-Ing. Marius Bauer ist als Teamleiter für die Batteriesystemtechnik am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) tätig. Nach Abschluss des Studiums der Elektrotechnik 2012 an der TU München war er im Rahmen eines MBA-Programmes in der Batterieentwicklung der Daimler AG tätig und beschäftigte sich dort mit der Sicherheit von Lithium-Ionen-Batterien.

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Im Anschluss folgte die Promotion zum Dr.-Ing. über “Elektrische und mechanische Verfahren zu Detektion von Alterungseffekten in Lithium-Ionen-Batterien”. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich am ZSW mit Themen der Batteriecharakterisierung, Alterungsprognose, Modellierung und dem thermischen Verhalten von Lithium-Ionen-Batterien.
Macwelt: Was ist überhaupt Batteriemanagement? Wie funktioniert das genau? Muss der Hersteller hierzu eine zusätzliche Hardware und/oder Software anbieten?
Dr.-Ing. Marius Bauer : Unter dem Begriff Batteriemanagament werden diverse Funktionen zusammengefasst, welche die Batterie des Gerätes betreffen: Ladezustandsschätzung (SOC – State of Charge , Anm. d. Red.), Einhaltung der Betriebsgrenzen der Batteriezellen hinsichtlich Temperatur und Spannung, Strombegrenzungen beim Laden und Entladen, Schätzung der Batteriealterung (SOH – State of Health , Anm. d. Red.), etc.. Hierzu wird hardwareseitig mindestens eine Spannungsmessung und meist auch eine Temperaturmessung benötigt. Das Batteriemanagement besteht immer aus einer Kombination von Hardware (entsprechender Chip auf der Leiterplatte) und Software (Algorithmen).
Was halten Sie von der Idee Apples, das Nutzerverhalten auszuwerten und danach den Ladealgorithmus zu richten?
Es ist grundsätzlich eine gute Idee beim Ladealgorithmus anzusetzen, da das Laden für die meisten Lithium-Ionen-Zellen hinsichtlich Alterung der kritischste Betriebszustand ist. Außerdem hat auch der beim Laden maximal erreichte Ladezustand einen großen Einfluss auf die Lebensdauer der Zellen.
Welchen Vorteil haben Nutzer von diesem angepassten Laden? Wie viel länger hält der Akku im Idealfall?
Es ist durchaus vorstellbar, dass Lebensdauerverlängerungen im Bereich eines Jahres oder mehr möglich sind. Das wird aber von Kunde zu Kunde sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem wie groß das nutzungsabhängige Optimierungspotential ist.
Kann man kurzfristig einschätzen, ob Apples Optimiertes Laden etwas gebracht hat? Vor allem als Nutzer?
Die wenigsten Nutzer werden sich zum Vergleich ein zweites Smartphone ohne die neuen Optimierungen anschaffen wollen. Der Ansatz erscheint in jedem Fall sinnvoll und somit kann auch von einer Lebensdauerverlängerung ausgegangen werden. Allerdings schläft auch die Konkurrenz nicht. Auch andere Hersteller machen sich Gedanken was den optimierten Betrieb der Akkumulatoren angeht.
Gibt es vielleicht vergleichbare Lösungen von anderen Herstellern auf dem Consumer-Markt?
Man kann davon ausgehen, dass alle Hersteller sich zu diesem Thema Gedanken machen. Inwieweit die individuellen technischen Lösungen dann auch im Rahmen des Marketings nach außen kommuniziert werden, variiert aber sicher von Hersteller zu Hersteller.
Den ersten Beschreibungen zufolge soll der Ladestand nie über 90 Prozent reichen und nie unter 20 Prozent bis 10 Prozent sinken. Wird dadurch nicht die Akku-Kapazität künstlich verringert?
Eine Einschränkung des genutzten Ladezustandsbereiches der Zelle auf beispielsweise 10 bis 90 Prozent der physikalisch vorhandenen Kapazität ist heute State-of-the-Art und wird in vielen Geräten vorgenommen. Es ist aber durchaus möglich, dass Apple hier noch einen Schritt weiter gehen möchte. Aus Batteriesicht lässt sich die Lebenserwartung z.B. weiter erhöhen, wenn auf hohe Ladezustände weitgehend verzichtet wird. Dies könnte je nach Nutzerverhalten erfolgen. Das heißt, dass besonders Gelegenheitssnutzer profitieren könnten. Wer pro Tag nur einen Bruchteil der Akkuleistung benötigt, das Smartphone aber trotzdem jede Nacht ans Ladegerät hängt (ich denke da an mich), der könnte auf Basis seines Nutzungsverhaltens auch mit einer Teilladung auskommen. Gut für den Akku! Auch hinsichtlich der Laderate sind Optimierungen denkbar ( Laderate bezeichnet das Verhältnis von Stärke des Lade- oder Entladestroms zur Akkukapazität, sprich, wie schnell eine Batterie mit der Kapazität X mit dem Ladestrom Y auf 100% aufgeladen ist – Anm. d. Red). Nachts genügt zumeist eine niedrigere Laderate, dies schont den Akku. Tagsüber muss es dann aber schnell gehen, wenn man schon bald wieder aus dem Haus muss. Lassen wir uns überraschen, welche Maßnahmen Apple hier im Detail implementiert und welche Verbesserungen die diversen Hersteller, auch Apple, zukünftig per Software-Update aufspielen.
Es gibt unzählige Anleitungen im Netz, dass man den Akku eines Smartphones ab und an durch komplette Entladung kalibrieren muss, damit dieser besser funktioniert und seinen Ladezustand besser anzeigt. Ist das Fakt oder Fake?
Dies ist durchaus sinnvoll. Aufgrund der Tatsache, dass Lithium-Ionen-Akkumulatoren im fast leeren Zustand bei gleicher Ladezustandsveränderung eine größere Spannungsveränderungen zeigen, kann das Batteriemanagement in diesem Bereich den Ladezustand präziser ermitteln als in mittleren Ladezuständen. Es ist davon auszugehen, dass viele Hersteller deshalb den fast leeren Bereich zur “Rekalibrierung” der Anzeige nutzen. Wird das Smartphone über einen längeren Zeitraum immer nur in mittleren SOC-Bereichen (State-of-Charge) betrieben, kann die Anzeige auch mal ein bisschen ungenauer werden, aber das ist sicher kein Grund zur Panik.
Welche Mythen bezüglich der Li-Ionen-Akkus kennen Sie und warum stimmen sie nicht?
Immer wieder geistert der Memory Effekt durch die Batteriewelt. Bei den heute verbotenen Ni-Cd gab es frühere das Problem, dass bei nicht vollständiger Entladung in den folgenden Zyklen nur noch ein Teil der Kapazität zur Verfügung stand. Der Akku “merkte” sich sozusagen den verringerten Energiebedarf und die Kapazität sank entsprechend. Lithium-Ionen-Batterien sind hiervon aber nicht betroffen, gegenteilige Behauptungen sind ein Mythos!
Ein weiterer Mythos betrifft eher die Art und Weise, wie wir in Deutschland mit neuen Technologien umgehen. Gerne wird im Hinblick auf die Elektromobilität betont, wie umweltschädlich die Herstellung der Batterien angeblich sei und dass am Ende dann doch das altbekannte Verbrennerfahrzeug die bessere Alternative sei. Dem kann ich mit Blick auf unser massives CO 2 -Problem nur eindringlich widersprechen. Wir können getrost davon ausgehen, dass die relativ junge Lithium-Ionen-Technologie unseren Speicherbedarf sowohl bei mobilen Consumer-Geräten wie Smartphones als auch im Verkehrsbereich decken kann. Insbesondere im Verkehrsbereich ist der Durchbruch des Elektroautos mit Lithium-Ionen-Technologie eine notwendige Voraussetzung dafür, um in naher Zukunft nachhaltige Mobilität auf Basis erneuerbarer Energien realisieren zu können. Die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich Recyclingfähigkeit und Ressourcenbedarf gehen im Bereich der Lithium-Ionen-Technologie allesamt in eine ökologisch sinnvolle Richtung. Was fehlte, war bislang einzig der politische Wille, die negativen Umweltfolgen konventioneller Technologien preislich zu bestrafen um den vorhandenen Alternativen jeweils eine faire Chance am Markt zu geben.
Welche generellen Tipps würden sie den Nutzern geben, damit ein Lithium-Ionen-Akku länger und besser hält?
Erstens, vermeiden Sie die Überhitzung der Akkumulatoren. Problematisch wird es im Sommer auf dem Armaturenbrett des Autos, aber auch bei extremer Beanspruchung (Videos, Games). Die wärmeisolierende Wirkung von Smartphone-Hüllen kann den Effekt verstärken, wenn keine oder zu wenig Lüftungsschlitze vorhanden sind.
Wie gefährlich sind Li-Ionen-Akkus ausrangierter Geräte? Wann sollten Altgeräte spätestens zum Recyclinghof?
Wie die Statistik zeigt, ist die spontane Explosion von Lithium-Ionen-Akkumulatoren renommierter Hersteller sehr unwahrscheinlich. Entsprechende Berichte sind immer Ausnahmefälle. Dennoch gibt es keine absolute Sicherheit. Daher empfehle ich dringend, ausrangierte Geräte, bzw. deren Akkumulatoren unverzüglich in die Entsorgung zu geben und nicht jahrelang in der Schublade liegen zu lassen. Das hat noch einen weiteren Vorteil: Im Zuge der Fortschritte beim Recycling lassen sich die wertvolle Inhaltsstoffe der Akkumulatoren zurückgewinnen. Das schont die Umwelt und wird in Zukunft wesentlich zu einer nachhaltigeren Batteriewirtschaft beitragen.
Was sind die Alternativen zur Li-Ion-Batterie und wann könnten die marktreif sein?
Es ist für die nächsten zehn Jahre nicht mit einem revolutionären Ersatz für die Lithium-Ionen-Technologie in Smartphones oder elektrischen Fahrzeugen zu rechnen. Bei den vielversprechendsten Zukunftstechnologien wie Lithium-Luft-Akkumulatoren, Lithium-Schwefel oder sog. All-solid-state Systemen sind jeweils noch große Durchbrüche erforderlich, bis diese Batterietypen in Großserie gehen können. Solche Durchbrüche sind nicht planbar, denn es braucht viele kluge Köpfe und vor allem brillante Ideen um die technologischen Schwierigkeiten zu überwinden. Innerhalb der aktuellen Lithium-Ionen-Technolgie gibt es allerdings eine Reihe von vielversprechenden Entwicklungen, die einerseits zu einer weiteren Erhöhung der Energiedichte, und andererseits auch nachhaltigeren Batterien führen werden. Beispielsweise sieht es danach aus, dass wir schon in wenigen Jahren weitgehend auf Kobalt verzichten können. Hinsichtlich der problematischen Abbausituation im Kongo eine sehr erfreuliche Nachricht.