Offensichtlich hat Apple freie Reparaturwerkstätten für iPhone endlich als notwendiges Übel eingestuft. Das war nicht immer so: Kurz nach dem großen Erfolg des iPhone und anderer Smartphones gab es sie plötzlich überall: Kleine Betriebe, die sich auf die Reparatur kleiner Defekte spezialisieren, später auch spezialisierte Ketten. Selbst bei der eigentlich für Schuhe und Schlüssel bekannte Kette Mister Minit ist mittlerweile der Austausch des iPhone-Akkus möglich. Manche kommen auf Wunsch sogar auf Hausbesuch.
Von Apple wurden diese Anbieter kritisch gesehen, zum Teil zurecht. Eine Qualitätskontrolle gab es nicht und es gibt schwarze Schafe, die minderwertige Akkus und minderwertige Ersatzteile verbauen – was sogar zu iPhone-Schäden führen kann.
Was Apple den Betrieben deshalb standhaft verweigerte, waren offizielle Reparaturdokumente und Ersatzteile. Nur sogenannte Apple Authorized Service Providers ( AASP ) wurden bisher von Apple mit den dazu notwendigen Ressourcen wie Akkus, Kamera-Modulen oder Testprogrammen unterstützt. Zielgruppe sind aber eher Systemhäuser und Fachhändler wie Gravis oder Cancom. Für kleine Betriebe war das AASP-Programm zu aufwendig und zu teuer – ist oft das iPhone dort nur ein Zusatzgeschäft.
Bei älteren iPhone-Modellen ist der Akku-Tausch allerdings auch kein Hexenwerk: Bis zum iPhone 6S war der Austausch von Akku und Display selbst für einigermaßen handwerklich begabte Kunden möglich und Übung macht den Meister.
Bei den neueren iPhones wurden Reparaturen aber immer schwieriger, etwa ab dem wassergeschützten iPhone 7. Setzt man etwa in ein neues iPhone den Akku eines Drittherstellers an, wird die Kapazität zwar korrekt angezeigt. Die Systemeinstellung Batterie beschwert sich aber über den fremden Akku, was sich nur durch einen ordnungsgemäßen Tausch beim zertifizierten Kundendienst beheben lässt. Auch bei anderen Repataturen gibt es Probleme mit besonders geschützten Bauteilen wie Face ID, für manche Betriebe bleibt da nur noch der Akku- und Bildschirm-Tausch als Dienstleistung übrig.
Apple geht es aber wohl nicht nur um das „ Right to Repair “ oder das Schicksal kleiner Werkstätten. Apple hat langfristig ein Problem: Smartphone-Akkus halten nur knapp drei Jahre und gesprungene Displays lassen sich kaum vermeiden. Eine flächendeckende Abdeckung mit Apple Stores oder AASP ist aber nicht nur in Deutschland kaum möglich. Würden alle iPhone-Kunden ihr iPhone nur noch bei Apple reparieren lassen, wären die Apple Stores sofort hoffnungslos überlastet – und genervte Kunden könnten sich schnell eine einfacher reparierbare Smartphone-Marke aussuchen.
Jetzt hat sich Apple deshalb einen Kompromiss einfallen lassen, der bald auch in Deutschland gilt. Beschäftigt ein Betrieb einen von Apple zertifizierten Techniker (die Prüfung soll kostenlos sein) liefert Apple laut dem neuen Independent Repair Provider Program nicht nur Ersatzteile und Werkzeuge, sondern auch die immer wichtiger werdenden Diagnoseprogramme und Dokumentationen.
Für fast alle ist dies eine gute Nachricht: Apple kann günstig die Wartung seiner iPhones gewährleisten, die Reparaturketten erhalten Zugriff auf wichtige Ersatzteile und Spezialwissen und die iPhone-Nutzer bessere Auswahl und Qualität.
Vermutlich werden viele Betriebe bei Akkus dann zwei Varianten anbieten: Eine günstigere Reparatur mit Ersatzakku und eine teurere Version mit Original-Akku.
Einen Verlierer hat die Aktion allerdings wohl doch: Die von Apple unabhängigen AASP verlieren einen großen Geschäftsvorteil und müssen plötzlich mit zahllosen neuen Konkurrenten klarkommen – die völlig andere Kostenstrukturen haben und weit weniger von Apple kontrolliert werden. In Foren gab es da schon erste Beschwerden zu hören. Das exklusive Geschäft mit Mac-Reparaturen, das ja vorerst nicht freigegeben wird, wird dies wohl nicht ausgleichen.