Es ist immer wieder erstaunlich, dass Apple mit Tim Cook einen Nachfolger gefunden hat, der sich derart stark von Steve Jobs zu unterscheiden scheint, – zumindest, was die Außenwirkung betrifft. So soll der auf manche vielleicht wie ein netter Onkel wirkende Tim Cook durchaus ein sehr fordernder Chef sein.
Vom Einfluss Steve Jobs’ auf Apple als Unternehmen ist acht Jahre nach seinem Tod vielleicht nicht mehr viel zu sehen, wenn auch sein Andenken von Apple gepflegt wird. Zu lange wird das Unternehmen schon von Tim Cook geleitet – finanziell äußerst erfolgreich – und zu viele Manager und Angestellte sind seit 2011 gegangen und ersetzt worden. Das einzigartige Ansehen, das Apple als Marke besitzt, dass ein iPhone auch heute noch etwas ganz besonders ist, verdankt Apple aber immer noch zu einem großen Teil Steve Jobs. Das Wort „Charisma“ klingt etwas abgedroschen, bei einem Artikel über den Apple-Gründer lässt es sich aber kaum vermeiden. Anders kann man kaum in Worte fassen, warum auch nach acht Jahren Apple noch immer in der Tradition des weder menschlich noch als Unternehmer immer ganz richtig liegenden CEOs steht. Er war eine beeindruckende Persönlichkeit und die von ihm noch persönlich verantworteten Projekte wie iPhone, iPad und Apple Store sind noch heute der Grund, warum Apple heute eines der wertvollsten Unternehmen weltweit ist.
Hätte Apple unter Steve Jobs noch innovativer sein können? Das wissen wir nicht, man kann es aber vermuten. Wichtiger wäre Jobs aber noch immer als Persönlichkeit.
Keynotes ohne Jobs
So vermisst der Autor Steve Jobs mindestens zweimal im Jahr: Bei den offiziellen Apple-Keynotes, vor allem bei der September-Keynote, in der neue iPhones präsentiert werden. Das ist nicht als Kritik an Apple gemeint: Weder Tim Cook noch anderen Apple-Managern kann man vorwerfen, sich bei den Keynotes keine Mühe zu geben. Es ist aber doch immer ein wenig so, als würde man statt dem erwarteten AC/DC-Konzert dann doch nur eine AC/DC-Coverband sehen und statt Angus Young nur einen Hobby-Musiker aus Fürstenfeldbruck.
Nicht ganz aus der Luft gegriffen war ja der „Rant“ des Journalisten Charlie Warzel nach der letzten Keynote, Apples Keynotes wären zu einer Parodie ihrer selbst geworden und Apple solle diese Veranstaltungen vielleicht lieber gleich ganz abschaffen. Man muss zugeben: Die Spiele-Demo Frogger, bei der ein Frosch versucht, Klopapier-Rollen und einem Baby mit Sonnenbrille zu entkommt, war kein Höhepunkt .
Unter Jobs waren Keynotes allerdings auch noch exklusive und fast sakrale Apple-Spezialitäten – eine Seltenheit. Mittlerweile werden sie fast von jedem IT-Konzern zelebriert – gerade erst von Amazon.
Es ist aber nicht nur die ausbleibende Begeisterung durch die Keynotes, in den letzten Jahren hatte man doch immer wieder, dass Gefühl, dass es Apple etwas schleifen lässt und eine leise Stimme meint „Unter Steve Jobs hätte es das nicht gegeben“. Das Thema Macbook-Tastaturen war für Apples Image höchster Produktqualität eine peinliche Schlappe, auch bei vielen neuen Produkten sieht man, dass Apple als Hardware-Hersteller ein wenig ein „normales“ Unternehmen geworden ist.
Hätte das Steve Jobs gemacht?
Wäre unter Steve Jobs eine derart anfällige Tastatur wie die Butterfly-Tastatur auf den Markt gekommen? Wahrscheinlich schon. Apple ist schließlich mittlerweile ein riesiger Konzern, bei dem sich auch ein als „Mikromanager“ bekannter CEO wie Steve Jobs nicht mehr um jedes Detail gekümmert hätte. Vielleicht wäre sie aber weit schneller ausgetauscht oder repariert worden und für einige Manager hätte es ungemütlich werden können.
Unter Steve Jobs war Apple noch deutlich kleiner und überschaubarer, Tim Cook muss sich dagegen weit mehr auf die leitenden Manager der jeweiligen Geschäftsfelder verlassen. Es ist wohl nicht nur eine Vermutung, dass sie es mit Steve Jobs etwas schwieriger hätten.
Das muss für Apple selbst kein Schaden sein, hatte der innovative und cholerische Jobs doch mit seinem Bauchgefühl oft genug völlig daneben gelegen – und zwar technisch großartige aber schlecht verkaufte Produkte wie den Apple Cube geschaffen. Auch der aktuelle Ärger mit der EU um Steuererleichterungen in Irland fiel schließlich noch unter Jobs’ Verantwortung und der Börsenwert von Apple war nie höher. Vorbildliche Menschenführung kann man ihm auch nicht nachsagen: Steve Jobs war nie der Firmenchef, der seine Untergebenen mit Namen grüßt oder ihnen persönlich den Scheck mit dem Weihnachtsgeld überreicht. Er war eher der kritische Chef, der den Angestellten im Lift Fragen nach seiner Existenzberechtigung für „sein“ Unternehmen stellte.
Steve Jobs stand auch für innovative Produkte, was man bei Apple dann doch etwas vermisste. Einige neuere Produkte der letzten Monate kann man fast ein wenig als altbacken bezeichnen: Es gibt nun wieder ein neues Macbook Air, doch wieder ein iPad Air und das allerneueste iPad 10,2 sieht fast so aus wie das noch von Steve Jobs selbst vorgestellte Ur-iPad von 2010. Alles sehr vernünftige und profitbringende Entscheidungen von Tim Cook und seinem Team, aber irgendwie fehlt bei Apple ein wenig die Überraschung.
Steve Jobs als Unternehmenspolitiker
Was vielleicht auch unterschätzt wird: Steve Jobs war auch im Hintergrund ein erstklassiger Verhandlungsführer, mit guten Verbindungen zu anderen Unternehmensführern, der ungewöhnliche Kooperationen und Geschäftsbeziehungen möglich machte – und sie riskierte, auch wenn sie die Existenz des Unternehmens aufs Spiel setzte. So behauptete kürzlich der Disney CEO Bob Iger , Disney und Apple hätten mittlerweile vermutlich fusioniert, wenn Steve Jobs nicht gestorben wäre. Zumindest Netflix und viele andere Medienfirmen haben da noch einmal Glück gehabt… Apple TV+ würde dann nämlich etwas anders aussehen. Auch der Austritt von Jony Ive hätte vielleicht nicht stattgefunden. Ive war immer ein naher Freund von Steve Jobs, der oft einen korrigierenden Einfluss auf ihn hatte.
Nicht vergessen sollte man auch, dass Steve Jobs ein Mensch mit Grundsätzen war. Europäische Journalisten lächeln oft über die Umweltschutz-Initiativen von Apple, vielen Tech-Journalisten und Kunden ist es wohl auch gleichgültig, ob ihr Macbook aus recyceltem oder völlig neuem Aluminium hergestellt wird. Noch von Steve Jobs angeregt, hat Apple in den letzten Jahren aber viel geleistet, und betreibt viele Aufwand um CO 2 -Emissionen bei Produktion, Transport usw. zu reduzieren, achtet auf umweltfreundliche Verpackung. Auch ein komplettes Recycling-System und Verzicht auf Schadstoffe sind echte Fortschritte und kein Lippenbekenntnis. Hier folgt Apple aber einer langen Tradition, so hatte schon Steve Jobs 2007 in einem offenen Brief Apples Wertschätzung für Umweltschutz bekräftigt.
Sicherlich würde aber ein charismatischer Steve Jobs weit mehr aus diesen Initiativen machen: Was nützt es, Gutes zu tun, wenn es niemanden beeindruckt?
Steve Jobs war ein genialer Verkäufer, Tim Cook ist ein genialer Manager. Apples Produkte waren aber schon immer teure Premium-Geräte, die man auch entsprechend verkaufen muss. Ein iPhone 11 Pro würde ebenfalls über tausend Euro kosten, aber unter Jobs strengem Blick würde sich wohl kaum jemand darüber beschweren…
Der achte Todestag ist aber sicher wieder ein guter Anlass, sich wieder einmal Jobs alte Stanford Commencement Address anzusehen.