Vergleicht man das Angebot von Apple TV + mit jenem von Amazon Prime oder gar dem mit Netflix, steht der neue Mitbewerber im Streamingmarkt ja reichlich blank da. Sieben Serien und einen Film wird man ab dem Freitag kommender Woche zu sehen bekommen, geübte Binge-Watcher würden sich spätestens im Dezember fragen: “Was jetzt?”
Doch der Vergleich hinkt, wie so viele. Denn Apple TV+ setzt anders als die genannte Konkurrenz ausschließlich auf Originale, also Eigenproduktionen. Will man “Stranger Things” sehen , kommt man Amazon Prime und Apple TV+ nicht weit, steht man auf “Good Omens”, bringen einem Netflix und Amazon Prime nur eine schwarze Mattscheibe, und ist man neugierig auf “See”, “The Morning Show”, “For All Mankind” oder weitere, braucht man zu seinem Amazon-Prime- und dem Netflix-Abo eben auch noch eines für Apple TV+.
Apple TV+: Das läuft zum Start
- The Morning Show: Drama hinter den Kulissen des TV mit Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell
- See: Dystopie, die in vielleicht nicht mal so ferner Zukunft spiel mit “Aquaman” Jason Mamoa
- Dickinson: Hailee Steinfeld im Kostümfilm-Biopic als Schriftstellerin Emily Dickinson
- For All Mankind: VonRonald D. Moore geschriebene Serie mit einem alternativen Ausgang des Rennens auf dem Mond
- Helpsters: Kinderprogramm, aus der Sesamstraße abgeleitet
- Ghostwriter: Reboot einer populären PBS-Show aus den Neunzigern
- Elephant Queen: Tierdokmentation, die Chiwetel Ejiofor (12 Years a Slave) im Original erzählt
- Snoopy in Space: Auch der Beagle der Peanuts ist im Weltraumfieber – und nicht mehr Fliegerheld des Ersten Weltkriegs
“Und” statt “Oder”
Die Dienste werden sich also eher ergänzen, als dass sie miteinander konkurrierten – und für Filme, die noch vor einem oder zwei Jahren im Kino liefen, kann man ja per TV-Store oder über Amazon kaufen oder leihen – der riesige Netflix-Katalog ist also nur bedingt ein Argument.
Apple weicht zudem die Grenzen seines ummauerten Gartens auf, es sind zwar keine Breschen in die Mauern geschlagen, im Gegenteil hat Apple einige Tore geöffnet. Denn für Apple TV+ benötigt man nicht zwangsweise ein Apple-Gerät – ein neues bringt einem aber ein Jahr Gratis-Nutzung. Auf diversen Smart-TVs von Samsung und LG ist die TV-App vorinstalliert, ebenso auf der Box des in den USA populären Videodienstes Roku. Auch Amazon, das auf seinen Echo-Geräten schon seit geraumer Zeit Apple Music spielen lässt, bringt Apple TV+ an seine Kunden, über Fire TV Stick und auch den neuen Fire TV Cube – die Installation der App geschieht nach und nach und könnte nächsten Freitag abgeschlossen sein.
Und ab nächster Woche ist es ja noch eine Stunde früher auf der Uhr dunkel. Anstatt in das Feuer eines Holzofens zu starren – schlecht wegen Feinstaub und eher keine nachhaltige Wärme – schauen wir dann lieber in die Glotze. Im Dezember werden dann ja auch wieder neue Originale bei Apple TV+ zu sehen sein, wir schauen, bis unsere Augen viereckig sind.
Apple TV Channels erweitert
Durch die von Apple geöffneten Tore gibt es bidirektionalen Verkehr – nicht nur ist Apple TV+ auf den Geräten der anderen zu sehen, sondern über die Apple TV Channels auf Apple TV, iPhone, iPad und Mac eben auch Programme der Konkurrenten. Diese kosten zwar jeweils extra, aber wem die Apple-Orignale nicht genügen, kann sich hier bedienen und die TV App in das Zentrum seines Fernsehkonsums stellen. Das Angebot von Apple TV Channels in Deutschland ist zwar überschaubar (StarzPlay und sonst nichts), aber in den USA werden es immer mehr Programme, die man zubuchen kann. Zuletzt kam IFC Films Unlimited hinzu , für 6 US-Dollar monatlich. Und ja: Auch Mediatheken und Streamingangebote öffentlich-rechtlicher Sender lassen sich in Apple TV (die App) auf dem Apple TV (dem Gerät) problemlos einbinden: Dokumentationen wie “Terra X” (ZDF), Magazine wie “Weltspiegel” (ARD), Kabarett aus dem “Schlachthof” (BR), die gute, alte “Sportschau” (ARD) oder “das aktuelle Sportstudio” (ZDF) und natürlich das feine Programm von arte – das haben weder Netflix noch Amazon Prime auf der Pfanne. Letzterer Anbieter hat aber immerhin Apps dafür, sollten wir noch ergänzend erwähnen, während wir uns schon auf den nächsten “tatort” (ARD) oder “Wilsberg” (ZDF) freuen. Wir schauen, bis unsere Augen viereckig sind und die Wolken wieder lila sind.
Wall Street ist optimistisch
Analysten scheinen überzeugt von Apples Konzept, berichtet CNBC. Die Morgan-Stanley-Analystin Katy Huberty erwartet starkes Wachstum, im Jahr 2025 werde Apple mit seinem Service 9 Milliarden US-Dollar einnehmen – das ist in etwa in der Größenordnung, in der Netflix alljährlich in Original-Programme investiert. Apples Anfangsinvestition in Inhalte dürfte die vor Jahren kolportierte Milliarde auch längst übertroffen haben. Insgesamt werde Apples Services-Sparte, zu der auch der App Store gehört, Apple News+, Apple Arcade und Apple Pay samt Apple Card, im nächsten Jahr um 20 Prozent wachsen. Das sollte auch Auswirkungen auf den Aktienkurs haben, Huberty rechnet hier mit einem Plus von 17 Prozent und gibt damit die optimistischste Prognose der Wall Street ab. Hinzu kommt aber auch ein Wachstumsschub für das iPhone, der Zyklus, in dem die Leute ihre Telefone erneuern, erreiche einen neuen Gipfel.