Noch vor zehn Jahren landeten die meisten Fotos entweder in einem Schuhkarton des Urhebers oder höchstens in einem Fotobuch. Doch mit dem Aufstieg von Social Media, Internet und zuletzt vom Maschinellen Lernen (Stichwort Deepfake) fragen sich die meisten Anwender, was darf man, was darf man nicht. Wir haben zu der Problematik Christian Solmecke gefragt.
Wann darf ich Menschen fotografieren und wann darf ich die Bilder veröffentlichen?
Die Frage, ob und wann ich andere Personen fotografieren oder filmen darf, ist seit dem 25. Mai 2018 durchaus kompliziert geworden – dies nämlich war der Stichtag für die Anwendbarkeit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch Fotos und Videos sind „personenbezogene Daten“, somit könnte die DSGVO jetzt vorrangig vor allen deutschen Regelungen anwendbar sein.
Wer in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt, dem ist sowohl das Fotografieren und Filmen von Menschen als auch das Veröffentlichen solcher Aufnahmen nur unter den strengen Voraussetzungen dieses EU-Gesetzes erlaubt. Diese Anforderungen kann eine Privatperson ehrlicherweise kaum erfüllen. Sie müssten nun vor jedem Foto eine schriftliche Einschätzung der Rechtslage anfertigen und zudem jeder abgelichteten Person einen Zettel mit allerhand Informationen in die Hand drücken.
Doch wann gilt die DSGVO für Privatpersonen überhaupt? Welche rechtlichen Grenzen müssen ansonsten beachtet werden? Und was kann man selbst tun, wenn plötzlich Bilder von einem im Netz auftauchen?
Fallen Fotos und Videos unter die DSGVO oder nicht?
Die DSGVO gilt nicht für den privaten bzw. familiären Bereich. Was genau dieser Bereich allerdings ist, darüber streiten sich die Datenschützer in Deutschland rege, Urteile gibt es noch keine. Dabei muss man auch unterscheiden zwischen dem Fotografieren bzw. Filmen und der Weitergabe bzw. Veröffentlichung der Aufnahmen.
Die meisten Datenschützer gehen davon aus, dass Aufnahmen zu privaten Zwecken auch dann nicht an der DSGVO zu messen sind, wenn man sie im öffentlichen Raum anfertigt. Es gibt jedoch auch wenige andere Ansichten, die nur Fotos z. B. auf Geburtstagsfeiern unter Freunden oder Familienfeiern noch als privat ansehen.
Das sonstige Veröffentlichen im Internet, etwa auf der eigenen Website, unterliegt dagegen immer der DSGVO. Ebenso jede andere Form der öffentlichen Zurschaustellung, die nicht nur unter guten Freunden oder innerhalb der Familie stattfindet.
Wenn es um die Veröffentlichung in den sozialen Medien geht, variieren die Ansichten zwischen: 1) Jedes Posting ist privat, weil die Nutzung sozialer Netzwerke per se als privat gilt, 2) Nur ein Posting unter Facebook- oder Instagram-„Freunden“ ist privat, nicht aber das Posten auf einem öffentlichen Profil und 3) Postings gelten nur dann als privat, wenn sie in einer privaten Nachricht oder Gruppe lediglich mit engen Freunden oder Familienmitgliedern geteilt werden.
Klärung in diesen offenen Fragen werden erst Gerichtsentscheidungen bringen. Wenn man also praxisnah davon ausgeht, dass das Anfertigen von Fotos zu privaten Zwecken genauso wenig unter die Regeln der DSGVO fällt wie das Posten in der eigenen, nicht öffentlichen Timeline, gelten in diesem Rahmen weiterhin die alten Regeln.
Fotos und Videos ohne Ton machen – meist erlaubt!
Fotografieren darf man grundsätzlich erst einmal (fast) alles – wenn man einen Menschen nicht gerade in einer besonders kompromittierenden Situation erwischt hat, sodass ausnahmsweise das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person überwiegt. Wann das der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Doch schon aus Gründen der Höflichkeit sollten Sie ihr menschliches Fotomotiv besser vor jeder Aufnahme um eine informelle Einwilligung bitten bzw. niemanden gegen seinen Willen fotografieren.
Es gibt mit § 201a Strafgesetzbuch (StGB) allerdings ein Gesetz, das besonders intime Aufnahmen unter Strafandrohung von zwei Jahren verbietet: Das sind Fotos in Umkleidekabinen, Toilettenräumen oder auch in Wohnungen, wenn sich die darin fotografierte Person in einer intimen Situation befindet, z. B. nackt ist, Sex hat oder krank im Bett liegt. Bei allen anderen Fotos kann nur ausnahmsweise einmal das allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person überwiegen – vor allem bei intimen Situationen. Tabu sind danach intime Fotos, z. B. Nahaufnahmen von nackten Sonnenbadenden am Strand oder einem Liebespaar beim innigen Kutschen. Hier kann man schon das Fotografieren verbieten und die Löschung der Aufnahmen verlangen.
Wer ungefragt Videos macht und dabei auch Geräusche mitschneidet, sollte aufpassen, dass keine Gespräche fremder Personen zu hören sind – das kann nach § 201 StGB sogar mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Fotos mit Freunden (auch in den sozialen Medien) teilen – grundsätzlich nur mit Einwilligung
Möchte man die geschossenen Fotos jedoch mit seinen Freunden oder der Familie teilen, sie per WhatsApp bzw. Messenger weiterleiten oder auf Instagram bzw. Facebook hochladen, so muss man das Kunsturhebergesetz (KUG) beachten. Dieses schützt das sog. Recht am eigenen Bild. In § 22 KUG steht der Grundsatz: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Eine solche Einwilligung kann man z. B. darin sehen, wenn die abgelichtete Person freundlich in die Kamera lächelt – allerdings nur dann, wenn die Person auch weiß, für welche Publikation das Foto verwendet wird. Partyfotografen sind daher auch verpflichtet, sich das Einverständnis der abgelichteten Person einzuholen und vorher Visitenkarten zu verteilen, damit die Person auch genau weiß, wo ihr Foto erscheinen wird.
Nicht immer ist es aber möglich, abgelichtete Personen um ihre Einwilligung zu bitten. Daher formuliert § 23 KUG einige Ausnahmen, in denen Fotos auch ohne Einwilligung verbreitet werden dürfen. Die wichtigsten drei kommen dem einen oder anderen sicherlich bekannt vor. Doch es lauern auch viele Gerüchte und Fehlannahmen, mit denen wir hier aufräumen möchten:
Ausnahme 1: „Zeitgeschichte“
Die erste Ausnahme erfasst „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“. „Zeitgeschichte“ kann zum einen besondere Ereignisse erfassen, es kann aber auch um berühmte Personen gehen. Diese Ausnahme ist vor allem für die Presse besonders wichtig, wenn sie z. B. Filmschauspieler oder Politiker ablichten und die Fotos in der Zeitung veröffentlichen will. Journalisten müssen aber immer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit dem Recht des Promis, in Ruhe gelassen zu werden, abwägen. Bei privaten oder gar intimen Situationen ist auch für sie Schluss, z. B. bei einem romantischen Dinner in der hintersten Ecke eines Restaurants. Zeitungen dürften aber häufig auch Fotos von Promis veröffentlichen, die an der Strandpromenade entlang laufen oder einkaufen, weil die Öffentlichkeit im Einzelfall auch an privaten Situationen dieser Promis ein Interesse haben kann. Doch gilt das auch für Privatpersonen? Wohl eher nicht. Denn hier existiert überhaupt kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern es geht mehr ums eigene „Angeben“, den prominenten Menschen tatsächlich gesehen zu haben. Dann aber überwiegt meist das Persönlichkeitsrecht des Prominenten. Wem also zufällig ein Promi auf der Straße, im Hotel oder im Club begegnet, sollte die berühmte Person lieber vorher um Erlaubnis fragen, bevor man ihr Foto einfach bei Instagram hochlädt. Etwas anderes gilt allerdings bei öffentlichen Anlässen, die gerade mit dem Grund zu tun haben, aus dem diese Personen berühmt sind. Dann müssen Prominente damit rechnen, von allen Anwesenden fotografiert zu werden. So dürfen Fotos von einem Sänger oder einer Band auf einem Konzert bedenkenlos geteilt werden.
Ausnahme 2: „Beiwerk“
Erlaubt ist auch die Verbreitung von Fotos, bei denen Menschen nur zufällig auf dem Foto einer Straßenszene oder Landschaft bildlich festgehalten werden. Der Mensch darf dabei nicht im Vordergrund zu sehen sein, sondern muss anonym erscheinen. Hier kann man sich folgende „Kontrollfrage“ stellen: Kann die Person auch weggelassen werden, ohne dass sich der Charakter des Bildes verändern? Was daher nicht geht: Ein „Alibi“-Foto vom Strand machen, auf dem dann ganz „zufällig“ eine hübsche junge Dame im Bikini präsent auf dem Foto zu sehen ist – hier geht es schließlich nicht mehr um die Landschaft.
Ausnahme 3: „Teilnehmer von Versammlungen“
Erlaubt ist auch das Verbreiten von Fotos von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Ereignissen. Das kann grundsätzlich einmal jede öffentliche Menschenansammlung sowohl „outdoor“ als auch „indoor“ sein – solange nur jeder Zugang hat, die Teilnehmer einen gemeinsamen Zweck verfolgen und damit rechnen müssen, von anderen fotografiert zu werden. Hierzu gehören z. B. Demonstrationen, Sportveranstaltungen, Karnevalsumzüge, Konzerte, Disco-Events, Straßenfeste oder Kongresse. Nicht dazu zählen aber z. B. die Fahrgäste in der U-Bahn, eine Gruppe Sonnenbadende am Hotelpool, Gäste in einem Restaurant oder Besucher im Museum. Denn sie sind ja nur zufällig zusammen zur selben Zeit am selben Ort. Daher ist es auch ein Irrtum, dass Fotos von Gruppen ab einer gewissen Personenanzahl immer erlaubt sind. Private Veranstaltungen wie Hochzeiten, Beerdigungen oder Betriebsfeiern sind hingegen grundsätzlich nicht erfasst – es sei denn, die Teilnehmer wollen gerade von anderen wahrgenommen werden. Außerdem gilt hier dasselbe wie bei den Straßenszenen: Eine einzelne Person darf nicht gezielt im Vordergrund stehen und aus der Masse heran gezoomt werden. Bei Veranstaltungen auf privatem Grund muss man zudem immer an das Hausrecht des Veranstalters denken: Er kann das Fotografieren zu jeder Zeit verbieten.
Welche Ansprüche habe ich bei der Verletzung meines Rechts am eigenen Bild?
Nicht immer kann man im Vorfeld verhindern, dass Fotos von einem ungefragt im Netz landen. Manchmal sind es nur die Freunde, die Partyfotos in den sozialen Medien posten. Hier reicht sicherlich ein netter Hinweis, das peinliche Foto von einem bitte wieder zu löschen.
Doch was, wenn Personen, die Sie nicht kennen, einfach ein Bild von Ihnen weiterverbreitet oder veröffentlicht hat? Nutzer haben hier verschiedene Möglichkeiten, sich gegen die ungefragte Veröffentlichung von Fotos zur Wehr zu setzen:
Der erste Schritt sollte eine Nachricht an den Webseitenbetreiber bzw. das soziale Netzwerk sein, bei dem das Foto aufgetaucht ist. Denn die Betreiber müssen nach einer solchen Meldung reagieren und die Fotos löschen sowie die Weiterverbreitung desselben Fotos verhindern. Das Verfahren nennt sich „notice-and-takedown“. Bei Facebook oder Instagram etwa ist es leicht, ein Foto zu melden: Man klickt einfach auf die drei Punkte in der rechten oberen Ecke und dann auf „Beitrag melden“. Alternativ ist auch eine E-Mail möglich, die Adresse steht im Impressum.
Sollte der Webseitenbetreiber nicht reagieren, ist es auch möglich, einen Löschantrag bei Google zu stellen, damit die Suchmaschine die Seite, auf der das rechtswidrige Foto auftaucht, nicht mehr listet.
Wenn hier keine schnelle Reaktion der Internetfirmen kommt, lohnt es sich, mit Hilfe eines Anwalts mehr Druck auszuüben und z. B. eine Abmahnung auszusprechen und Löschung der Bilder zu fordern.
Wenn einem derjenige, der das Foto veröffentlicht oder geteilt hat, bekannt ist, ist es zusätzlich empfehlenswert, ihn direkt zu kontaktieren bzw. abzumahnen. Vom Verletzer kann man nicht nur die Löschung des Bildes verlangen, sondern auch Unterlassung im Hinblick auf zukünftige Verletzungen sowie möglicherweise Schadensersatz.
Doch nicht immer kennt man den Namen der Person, die das Bild hochgeladen hat. Und gegen die sozialen Netzwerke gibt es leider keinen Auskunftsanspruch über die Identität. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, zusätzlich eine Strafanzeige wegen einer ungenehmigten Veröffentlichung oder Verbreitung von Bildaufnahmen nach § 33 KUG zu stellen. Denn möglicherweise haben die Behörden mehr Erfolg, den Täter zu ermitteln und über die Plattform die IP-Adresse sowie die weitere Kommunikation mit dem Täter zu verlangen. Mithilfe eines Anwalts können Sie dann Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragen und so an dessen Daten kommen, um ihn anschließend zivilrechtlich zu verklagen.
Wurden sogar Aufnahmen aus Ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich angefertigt, sollten Sie in jedem Fall Strafanzeige wegen eines Verstoßes gegen § 201a StGB stellen. Dem Verletzer drohen dann eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe.