Im vergangenen Herbst hätte es fast schon so ausgesehen, als würde Apple seine Smartwatch nur geringfügig aktualisieren und deshalb nur eine Art Zwischengeneration bringen, eine Apple Watch Series 4S gewissermaßen. Doch die Apple Watch ist da und das Always-On-Display kam für alle überraschend. Grundsätzlich ist Apple bei der Apple Watch für Überraschungen gut: Zu wenig sickert aus den Zuliefererkreisen durch, die wohl deutlich übersichtlicher sind als die des iPhones. Das Publikumsinteresse spielt wohl auch eine Rolle, die Apple Watch ist nach im Bereich “Home, Wearables und Accessories” in Apples Bilanzen ausgewiesen. Doch manche Schritte in Richung Series 6 scheinen aus unserer Sicht nur noch logisch.
Apple S6
Was man mit einer großen Wahrscheinlichkeit voraussagen kann, ist der neue Chip Apple S6, die mit dem neuen Modell vorgestellt wird. Auf der vergangenen Keynote hat Apple den Prozessor der Watch in einem Nebensatz erwähnt. Kein Wunder, der S5 basiert fast vollständig auf dem Vorgänger der Apple Watch Series 4, nur einen zusätzlichen Magnetometer hat Apple in das System eingebaut. Es ist also an der Zeit, einen größeren Schritt bei der Hardware zu gehen. Wir können uns vorstellen, dass Apple bei S6 gleiche oder ähnliche Schritte wie schon bei A13 unternimmt: Bei der gleichen Leistung ist der Prozessor stromsparender und effizienter, was bei einer winzigen Apple Watch wohl noch wichtiger wird als bei einem iPhone mit einer deutlich größeren Batterie. Ob Apple im gleichen Schritt auch W3 aktualisiert, der für WLAN und Bluetooth verantwortlich ist, ist ungewiss. Zwar unterstützt die Watch nach wie vor nur die Netzwerke mit dem 2,4-GHz-Band und dem etwas älteren Standard 802.11b/g/n, richtig sinnvoll wäre die Aufrüstung gleichzeitig mit Bluetooth, doch der Standard 5.1 wurde erst im Januar 2019 verabschiedet, erfahrungsgemäß dauert es bis zwei Jahre, bis die ersten Hersteller die neue Technologie implementieren.
Noch ein Chip?
In einem weiteren Nebensatz aber bei der iPhone-Vorstellung hat Apple einen komplett neuen Chip erwähnt – U1. Dieser sendet in einer Ultraweit-Bandbreite, unter iOS 13 nutzt Apple die neue Hardware nur für Airdrop, um die passenden Nutzer im Raum besser zu finden. Zwar hat eine Apple Watch keine Airdrop-Funktionalität, wozu denn auch? Aber eine genaue Positionierung in dem Raum könnte einer Grund-Funktion der Apple Watch zu Gute kommen – Fitness-Tracking, bei Indoor-Sportarten beispielsweise.
Schlafüberwachung
Fitbit, Samsung, manche Google-Wear-Uhren haben es schon, aber die Apple Watch hat es noch nicht geschafft, eine Schlafüberwachung zu implementieren. Ob Apple eine derartige Funktion bringen wird, werden wir spätestens im September erfahren. Wir haben über das Thema mit Herrn Dr. Hans-Günter Weeß, einem Experten im Bereich Schlafforschung gesprochen, der uns versichert, die meisten Fitness-Tracker könnten höchstens raten, wann der Mensch schläft und wann nicht. Überwacht das Gerät noch zusätzlich den Herzschlag in der Nacht, können die Algorithmen auf die einzelnen Schlafphasen schließen, dies aber auch nur recht ungenau. Denn unter Laborbedingungen messen Schlafwissenschaftler noch Gehirnwellen, Augenbewegungen und Muskelanspannung und können so bis auf die Sekunde genau sagen, wann eine Schlafphase beginnt und eine andere endet.
Dr. Hans-Günter Weeß
Dr. Hans-Günter Weeß besitzt sowohl in der klinischen als auch wissenschaftlichen Schlafmedizin ein hohes Maß an Erfahrung und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen. Er ist in der Aus- und Weiterbildung von Schlafmedizinern tätig. Er unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), weiterhin der Vorsitzende der Rheinland-Pfälzischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (RheiGSM).
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Grundsätzlich sieht Dr. Weeß in den Schlafüberwachungssystemen den großen Vorteil, dass die Nutzer auf die Wichtigkeit und Bedeutung des Schlafes hingewiesen werden. Der Schlaf ist laut Weeß das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm und wird viel zu wenig geschätzt. „Wir benötigen eine neue Schlafkultur, welche dem Schlaf viel mehr Bedeutung für die Gesundheit zuschreibt“, so sein Credo. Genau dieses Anliegen werde durch die hohe Verbreitung der Schlafüberwachungssysteme bedeutsam unterstützt. Würden die Systeme schlafmedizinisch evaluiert werden, dann könnten diese, davon ist Weeß überzeugt, diese zukünftig einen kleinen Beitrag zur Diagnostik in der heimischen Umgebung liefern. Dafür müssten die Systeme aber in einem Schlaflabor geprüft werden, was bislang nur selten der Fall ist. Denn viele Apps der Hersteller haben den Nachteil der fehlenden Messgenauigkeit. Sie suggerieren mit ihren bunten Diagrammen und umfangreichen Daten eine Pseudo-Wissenschaftlichkeit, können dieses Versprechen aber aufgrund fehlender Genauigkeit nicht halten.
Bei manchen Nutzern könne die Schlafüberwachung auch zu einer Verstärkung bereits vorhandener Schlafprobleme führen: „Wer sich zu sehr in seinem Schlafvermögen selbst überwacht, neigt zu einer erhöhten Anspannung in der Bettsituation und Anspannung ist der Feind des Schlafes, führt zu Schlafstörungen.“
Eine Funktion, die sehr viele Schlaftracking-Apps anbieten, hält der Experte für eine nicht so gute Idee: smartes Aufwachen. Eine App oder ein Tracker verspricht, den Nutzer sanft aufzuwecken, indem die Anwendung den Wecker am Ende einer sogenannten REM-Phase läutet läßt. In der Theorie klingt das Ganze natürlich sinnvoll: REM (Rapid Eyes Movement) ist eine Schlafphase, bei der das Gehirn bereits auf Hochtouren läuft, wacht der Mensch während dieser Phase auf, fällt ihm der Übergang vom Schlaf in die Tagesaktivität deutlich leichter, als ob man bei laufendem Motor den Gang einlegt und das Auto sofort losfährt.
Praktisch jedoch hat die Funktion mehr Nach- als Vorteile: Die REM-Phase stellt sich durchschnittlich etwa alle 90 Minuten ein, wenn der Nutzer seine Weckzeit von 7:00 bis 7:30 festgelegt hat, kommt es öfter vor, dass selbst die smarte Weckfunktion einen dann doch noch rüde aufweckt. Zweitens: Selbst wenn der Tracker die REM-Phase richtig erkennt und den Nutzer früher weckt, fehlen trotzten einige Minuten oder gar eine halbe Stunde an Schlafenszeit. Und spätestens in der Dusche ist man meistens wach, egal ob man während der REM- oder einer anderen Phase aufgewacht ist.
Dr. Weeß lobt jedoch die Hersteller für eine andere Funktion – den Abendmodus. Dabei wird der Anteil von Blaulicht am Display deutlich runtergefahren, so dass sich beim Nutzer Melatonin bilden kann, ein Botenstoff, der die Nachtruhe einleitet. Noch besser schläft es sich, wenn man das Smartphone (oder andere elektronische Geräte) eine Stunde vor dem Schlafengehen ganz ausschaltet: Studien haben bewiesen, dass man dann schneller einschläft und besser ruht.
Akku
Ob Apple tatsächlich den Schlafüberwachungsmodus bringt, hängt von vielen Faktoren ab. Der Platz in einer Watch ist begrenzt, vor allem im 40-mm-Modell. Apple hat jedoch vor allem mit Series 3 gezeigt, dass selbst mit einem vollwertigen OLED-Display eine Nutzung von 18 Stunden mit einer Ladung machbar ist. Bis 24 Stunden ist nicht mehr weit, wahrscheinlich hätte Apple dieses Problem mit ein paar Software-Tricks gelöst: Eine Kombination aus dem Nicht-Stören-Modus zusammen mit dem extremen Stromsparmodus hätten den Nutzer und die Watch über die Nacht gebracht und in regelmäßigen Abschnitten Bewegungen, Puls gemessen, um am Morgen eine Schlafüberwachung zu präsentieren. Doch ein solcher 24-Stunden-Rhythmus würde kaum in die Arbeitsroutine der meisten Nutzer mehr passen, muss man doch am Tag mindestens zwei Stunden noch dafür finden, um die Apple Watch aufzuladen. Während man das iPhone leicht ablegen und derweil an einem Laptop/Desktop/Tablet arbeiten kann, gibt es bei der Watch keinen dergleichen Ersatz. Wireless Speed Charging 2.0 gibt es zwar, der Hersteller, also Samsung gibt aber zu, für seine Geräte noch zusätzliche Maßnahmen gegen die Überhitzung ergriffen zu haben. Apple wird aber kaum seiner Apple Watch einen Lüfter mit dem nächsten Update spendieren…
Nicht invasive Blutzuckermessung
Seit Jahren gibt es dazu Gerüchte, Apple arbeite an weiteren Messmethoden, die auf der Spektroskopie basieren. Blutzuckermessung und Blutdruckmessung sind immer wieder ein Thema. Im April 2017 gab es Berichte , sogar Tim Cook hat einen Blutzucker-Monitor einige Zeit getragen. Zum aktuellen Stand der nicht invasiven Blutzuckermessung haben wir mit dem Professor Dr. Haak, dem Chefarzt der Diabetes Klinik im Bad Mergentheim gesprochen.
Seiner Expertise zufolge ist die nicht invasive Blutzuckermessung theoretisch möglich: Man kann von der Veränderung der Blutfarbe auf den Zuckergehalt im Organismus schließen. Doch praktisch stellen sich der Messung noch zusätzliche Hürden in den Weg. Zum einen ändert die Haut ständig ihre Farbe, vor allem wenn sie stark durchblutet ist, beispielsweise beim Sport. Zum anderen ändert sich ständig die oberflächliche Pigmentierung, Stichwort Sonnenbräune. Diese Interferenzen erschweren die Farbmessung des Blutes, sodass eine zuverlässige Aussage zu den Blutzuckerwerten nicht möglich ist.
In der Endokrinologie hat sich die Sensor-Methode als Standard bereits etabliert. Dazu wird entweder direkt auf der Haut ein Pflaster mit dem Blutzuckersensor aufgeklebt (Freestyle libre 2; Dexcom G6), oder ein kleiner Sensor (ca. 2 cm groß) unter die Haut in das Fettgewebe implantiert (Eversense XL) dieser überträgt über einen Transmitter die Daten weiter. Die beiden Methoden erlauben eine kontinuierliche Blutzuckermessung ohne ständige Blutabnahmen, die Geräte stören auch nicht im Alltag: Die Patienten können damit gar schwimmen gehen.
Die Sensoren verbinden sich entweder mit einem extra Lese-Gerät oder mit einer Smartphone-App. Manche Transmitter können den Nutzer per Vibrationsalarm selbstständig warnen, wenn die Blutzuckerwerte an bestimmte untere oder obere Grenzen stoßen. Ein paar Umstände muss man aber doch noch beachten: Der Freestyle libre 2 hat eine Laufzeit von 14 Tagen, danach muss ein neuer Sensor platziert werden. Der Eversense XL erlaubt es dem Nutzer, den implantierten Sensor rund sechs Monate lang zu verwenden. Im Gegensatz zu den beiden anderen Sensoren, muss der Eversense XL aber immer wieder mit Hilfe von Blutzuckermessungen kalibriert werden.
Herr Prof. Dr. Haak sieht keinen Bedarf für eine kontinuierliche Blutzuckermessung bei einem gesunden Menschen. Die Kontrollen würden durch die jährlichen Routine-Checks abgedeckt. Selbst bei den gefährdeten Bevölkerungsgruppen mit ungesunder Ernährungs- und Lebensweise, die einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Typ-2-Diabetes ausgesetzt sind, sieht er keinen Bedarf für die ständige Blutzuckerkontrolle und plädiert stattdessen auf Aufklärungskampagnen: „Dass Sie bald ein Diabetes Typ 2 entwickeln können, glauben Sie eher einem Arzt und nicht Ihrer Apple Watch.“
Was ist mit Software?
Die Apple Watch ist nur so gut, wie watchOS 7 wird. Zu watchOS gibt es traditionell keine Gerüchte, so haben wir eine Wunschliste der möglichen Features erstellt, die wir bei der Konkurrenz gesehen haben oder als nützlich erachten.
Ausbau der Siri Kurzbefehle : Apple hat mit iOS 13 eine neue Art der Kurzbefehle hinzugefügt – (persönliche) Automation. Diese wird unabhängig vom Homekit und den angebundenen Geräten ausgeführt. Es ist gut vorstellbar, dass Apple diese Möglichkeit mit iOS 14 und watchOS 7 weiter ausbaut, momentan lässt sich eine Automation mit einem Training verknüpfen, die Watch kann aber deutlich mehr.
Outfit-Anpassung : Einige Google-Wear-Geräte erlauben es, mit der verfügbaren Kamera das aktuelle Outfit abzufotografieren und anhand der Farben ein individuelles Zifferblatt für den Tag zu erstellen. Insbesondere bei den neuen Gradient-Zifferblättern würden wir eine solche Funktion begrüßen.
UV-Warnungen : Die Wetter-App auf dem iPhone und auf der Watch liefert bereits jetzt Daten zu dem aktuellen UV-Index. Mit ein bisschen mehr Aufwand lassen sich daraus proaktive Warnungen vor zu viel Sonneneinstrahlung erstellen. Zum einen kann der Nutzer in eigenen Gesundheitsdaten seinen Hauttyp eingeben. Zum anderen lässt sich anhand des Standortes ziemlich genau feststellen, ob sich der Nutzer gerade im Freien bewegt oder sich in einem Gebäude befindet. Dementsprechend kann man vor allem im Sommer Sonnencreme-Erinnerungen erstellen.
Fazit
Die Apple Watch hat sich in den letzten Jahren endgültig von einem Mode-Accessoire zu dem ultimativen Fitness- und Gesundheits-Gerät entwickelt. Sicherlich wird Apple in diese Richtung forschen und seine Innovationen auf diesem Bereich bringen.