Die ersten Testberichte über das iPad Pro 2020 sind da, und die Ergebnisse sind eindeutig: Es ist dem Vorgängermodell aus dem Jahr 2018 sehr ähnlich. Es gibt zwar einige bemerkenswerte Aktualisierungen – eine neue Ultra-Wide-Kamera und ein Lidar-Scanner – aber es ist nicht wirklich schneller als das alte Modell.
Was nicht wirklich ein Problem ist: Das iPad Pro von 2018 war der Konkurrenz so weit voraus, dass ich auch jetzt noch nicht das Gefühl habe, dass es zu langsam ist, um meine Aufgaben zu bewältigen. Ich verstehe, warum Apple es nicht für nötig hielt, den A12X-Prozessor zu aktualisieren.
Aber so stellt sich die Frage: Warum hat Apple das iPad Pro denn überhaupt aktualisiert? Ich habe da so einige Theorien.
Es kommt selten vor, dass Apple vor dem iPhone eine Kamerafunktion auf dem iPad einführt, aber genau das ist jetzt passiert. Der Lidar-Scanner, der mit Infrarotlicht detaillierte Tiefenkarten Ihrer Umgebung erstellt, ist eine Funktion, die das iPad hinsichtlich erweiterter Realität (Augmented Reality, AR) dramatisch verbessert.

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Apple legt sehr viel Wert darauf, seine mobilen Geräte mit Augmented-Reality-Technologie auszustatten, ein eigenes AR-Gerät hat Apple noch nicht im Angebot. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass Apple an einer eigenen AR-Brille arbeitet, aber in der Zwischenzeit könnte es die Technologie auch perfektionieren und Entwickler ins Boot holen, indem es sie auf dem iPhone und iPad einsetzt.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die iPhone-Modelle dieses Herbstes ebenfalls mit diesem Lidar-Scanner ausgestattet sind. Der Vorteil, ihn jetzt auf dem iPad einzusetzen, ist ein doppelter: Erstens werden alle AR-Innovationen, die Apple mit iOS 14 und den iPhones dieses Herbstes vorantreibt, sofort auch auf dem aktuellen iPad Pro unterstützt. Zweitens kann Apple durch die Auslieferung des Lidar-Scanners mit dem iPad Pro seine WWDC-Seminare nutzen, um die verschiedenen Möglichkeiten zu diskutieren, wie Entwickler die Vorteile des Lidar-Scanners nutzen können. Wenn diese Hardware erst im Herbst mit den iPhones ausgeliefert würde, müsste Apple darüber im Konjunktiv oder gar nicht sprechen. Stattdessen kann es über Lidar reden, so viel es will, und obwohl sich das offiziell auf das iPad Pro 2020 bezieht, wissen wir alle, dass damit auch das iPhone des Herbsts 2020 gemeint ist.
Ultra-Breitband für… Dinge
Obwohl Apple nicht darüber reden will, scheint das iPad Pro 2020 denselben U1-Ultra-Breitband-Chip zu enthalten, der in der iPhone-11-Serie enthalten ist. Apple spricht nicht viel über U1, weil er dazu da ist, zukünftige Funktionen und Produkte zu ermöglichen, die heute noch nicht existieren. Und Sie wissen, wie sehr Apple es hasst, zukünftige Produkte vorab anzukündigen.
Aber stellen Sie sich vor, wenn Apple in den nächsten Monaten endlich die drahtlosen Tracking-Tags ankündigt, über die seit Monaten Gerüchte kursieren. Das iPad Pro wäre in der Lage, seine neuen AR-Funktionen und seinen U1-Chip so zu kombinieren, dass es perfekt mit dem neuen Produkt zusammenarbeitet. Wenn es das Ziel von Apple ist, im Laufe der Zeit in jedem Apple-Produkt Ultra-Breitbandunterstützung zu erhalten, warum sollte Apple nicht die Gelegenheit nutzen, dies jetzt zu tun?
Anmerkung: Die Spekulationen um einen U1-Chip haben sich mittlerweile als gegenstandslos erwiesen
Eine schockierende Entwicklung
Hier kommt aber nun meine verrückteste Theorie: Das letzte Mal, als Apple eine große Umstellung bei den Prozessoren, die den Mac antreiben, ankündigte, warnte es die Entwickler Monate im Voraus. Diese konnten sogar ein “Development Transition Kit” von Apple erhalten, das im Wesentlichen ein Power-Mac-G5-Gehäuse mit einem Intel-Motherboard im Inneren war, sodass sie Mac-OS X auf Intel-Prozessoren testen konnten, lange bevor die ersten Intel-Macs tatsächlich ausgeliefert wurden.

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Seit einiger Zeit kursieren Gerüchte, wonach Cupertino Macs bauen werde, die auf von Apple entworfenen Prozessoren laufen, den gleichen ARM-Chips, die im iPhone und iPad ihre Dienste leisten. Und dafür scheint die Zeit reif zu sein, da das neue Macbook Air langsamer ist als die iPads Pro 2018 oder 2020. Aber was ist, wenn Apple den Entwicklern den gleichen Vorlauf und Testzeitraum geben will, die es ihnen während der Intel-Umstellung gewährte?
Stellen Sie sich für diesen Sommer die Ankündigung vor, dass macOS auf ARM-Prozessoren umgestellt werde. Dazu gäbe es einen vollständigen Satz von Werkzeugen für Entwickler, um die Kompatibilität zu gewährleisten. Und die Hardware, die sie zum Testen ihrer Software verwenden könnten… wäre ein 2020 iPad Pro (komplett mit Tastatur und Trackpad!), auf dem eine spezielle Entwicklerversion von macOS laufen würde.
macOS auf einem iPad Pro? Es scheint ein seltsames Szenario zu sein, aber es ist sicherlich eine Möglichkeit. Und vielleicht wurden diese neuen iPads Pro mit genügend RAM (6 GB, bisher nur auf dem 1-TB-2018-Modell verfügbar) und, wer weiß, vielleicht sogar mit einigen anderen Komponenten entworfen, die die Kompatibilität gewährleisten würden.
Es ist ein Platzhalter
Schließlich das wahrscheinlichste Szenario: Apple möchte aus einigen der oben genannten Gründe einige kleinere Anpassungen an den Komponenten des iPad Pro vornehmen, aber sie sind eigentlich nur als Platzhalter gedacht.
Das eigentliche iPad-Pro-Update ist noch nicht fertig, wird aber im Herbst oder im nächsten Frühjahr kommen. Apple wird bald die 5G-Mobilfunknetze nutzen, und vermutlich wird es irgendwann ein 5G-iPad geben. Berichte des Analysten Ming Chi Kuo deuten darauf hin, dass Apple an einer neuen Mini-LED-Bildschirmtechnologie für ein zukünftiges iPad arbeitet. Und vielleicht ist der Grund dafür, dass der A12Z-Prozessor so langweilig erscheint, weil Apple zu sehr mit der Arbeit an einem neuen, leistungsfähigeren Prozessor für den Einsatz sowohl in zukünftigen iPads als auch in zukünftigen Macs beschäftigt ist.
Vielleicht steht ein noch neueres iPad Pro am Horizont. Oder vielleicht auch nicht. Heutzutage ist nichts mehr sicher. Aber ich würde wetten, dass zumindest einige meiner Vermutungen richtig sind, und es steckt mehr hinter dieser kleinen Aktualisierung, als es auf den ersten Blick scheint.