Wer ein locker-luftiges Werk erwartet, mit vielen Bildern, wie etwa Jonathan Ives Biographie oder die Schwarte mit Produkten aus der Ära des britischen CDO ist von dem Buch “Apple Design: Eine Analyse” von Felix Torkar nicht sofort eingefangen sein. Wer aber handelnde Personen der Apple Geschichte und ihre Geschichten rund um Produkte, die man selbst ausgiebig benutzt hat, schon einigemaßen kennt. wird in der wissenschaftlichen Analyse, die die iF Design Foundation unterstützt hat, viele Hintergründe erfahren und Zusammenhänge besser verstehen. Vor allem drei Fragen will der Autor beantworten: Wie es zu Apples Sonderstellung kam, wie sich die gestalterischen Phasen trennen lassen und wie Apples Design sich kontextualisieren lässt.
So räumt Torkar schon in der Einleitung mit dem Mythos auf, Apples heute stilprägendes Design sei auf das Genie eines Einzelnen wie Steve Jobs oder später Jony Ive zurückzuführen, sondern ein Gruppenprozess, der sich auch laufend an die Änderungen der Technologie und Gesellschaft anzupassen hat. Als Beispiel ist hier der Übergang von der recht kurzen bunt-transluzenten Phase um die Jahrtausendwende hin zum noch heutigen Glas/Aluminium-Paradigma genannt: Apple hatte einerseits mit einer Vielzahl von Nachahmerprodukten auch aus anderen Technologiesektoren zu kämpfen – das einst einzigartige Design des iMac wurde immer mehr verwässert. Andererseits geriet in jener Zeit der Röhrenbildschirm an sein Ende und wurde vom LCD ersetzt – das Knuddlig-Verspielte passte nicht mehr zur neuen Zeit der Flachheit – dieses Missverhältnis war beispielsweise am ersten iBook zu sehen.
Nicht nur Ive alleine
Das Buch ist auf der Höhe der Zeit, das zeigt ein weiteres Beispiel zum Beleg der These, dass das Design sehr wohl auch dem Zweck zu folgen hat und nicht allein für sich stehen kann: Nachdem Apple über Jahrzehnte hinweg immer wieder versucht hat, Lüftungsschlitze zu verstecken oder sie gar überflüssig zu machen, ist die Lüftung nun eines der hervorstechenden Merkmale des neuen Mac Pro, der die gewaltige Abwärme der Hochleistungskomponenten in seinem Inneren ja auch noch abführen muss. Vom neuen Hub von 1 Millimeter der Tastaturen für Macbook Pro und Air ist schon gar nicht mehr die Rede, hier sieht man aber eine weitere Abkehr von Jony Ives Designphilosophie.
Dass Apples Gestaltungsphilosophie aber nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern durchaus Vorgänger hat, zeigt Torkar ein wenig knapp an bauhaus oder Gestaltern wie Dieter Rams (Braun) und Hartmut Esslinger (frog desing). Die Unterschiede sind laut Torkar trotz der Vorbilder aber auch klar: Während das bauhaus vor allem mit vorhandenen Materialien und Techniken die bestmögliche Gestaltung erreichen wollte, versucht Apple zu seinem Design die besten Materialien zu finden: So lässt sich etwa der Wechsel vom Titan-Powerbook zu dem heute verwendeten Aluminium erklären. Umgekehrt sei auch der Ansatz von Dieter Rams gewesen, der Gebrauchsgegenständen das “möbelhafte” habe nehmen wollen, während Jobs, Ive und Konsorten hingegen Rechner wieder zu Möbelstücken machten. Die “Tragbarkeit” des iMac führt Torkar auf die Schreibmaschine Olivetti Valentine von Ettore Sottsass zurück, deren roter Signalton auch noch ihre Einzigartigkeit betonte. Es sei im Übrigen auch nicht Jony Ive gewesen, der die Idee hatte, den iMac mit einer halbtransparenten Hülle zu versehen, die das Innere nach außen holte, sondern die von Douglas Satzger, Mitarbeiter von Apples Industrial Design Group (IDg).
Den Erfolg des so in die Mitte des Arbeitszimmers gerückten iMacs von 1998 erklärt Torkar auch mit dem damaligen Wunsch der Nutzer, das neue und komplexe Phänomen Internet transparenter erklärt und greifbar gemacht zu bekommen – die meisten iMac-Käufer hätten mit dem Bondi-Blue und seinen Nachfolgern erstmals einen Rechner von Apple gekauft, da die Konkurrenz zu einer solchen Simplifizierung nicht in der Lage war.
Das ist auch heute noch der große Vorteil Apples: Seine hoch integrierten Prozesse. Während sich PC-Bauer wie Dell oder HP mit Komponenten von der Stange behelfen und diese zusammenschrauben, denken Apples Lieferanten auf Geheiß Cupertinos das Endprodukt bereits mit – Apple holt indes auch immer mehr Hardwareentwicklung ins eigene Haus, man denke an die A-Chips oder die von Intel übernommene 5G-Modem-Sparte, möchten wir hier hinzufügen.
Diese hohe Integration besteht auch bei der Software und der Verbindung der Hardware. macOS und seinen Vorläufern widmet Torkar auch ein etwas kurz geratenes Kapitel, aus dem aber klar wird, warum Steve Jobs seinerzeit über die “Aqua”-Oberfläche des neuen Mac-OS X schwärmte: “You wanna lick it!”: Wo man in welchem System zu klicken habe oder welche andere Interaktion erwartet werden, machen Apples Produkt klar wie keine anderen. Den Umstieg von dem skeuomorphistischen Ansatz der ersten sechs Version von iOS hin zu dem flacheren Design der Jetztzeit lässt Torkar Jony Ive selbst erklären: Der Anwender habe nun ausreichend verstanden, dass er mit einem flachen Stück Technik interagiere, er brauche keine künstlichen Ledereinbände oder Abrisskanten mehr, um zu verstehen, was ein Kalender oder was ein Adressbuch ist. Die simulierte Trägheit von Listen oder simulierten Rädern beim Scrollen und Anschubsen werde indes bleiben – die Technik ist hier ein Stück greifbarer.
Fazit
Das Buch “Apple Design: Eine Analyse” ist zwar recht schnell durchgelesen, doch gibt viele interessante Einblicke, Zusammenhänge und Denkanstöße. Es ist durchaus lohnenswert, sich auch mit dem ein oder anderem im Literaturverzeichnis erwähnten Quellen zu beschäftigen oder Dieter Rams’ zehn Thesen für gutes Design, die dem Text ebenso angehängt sind.
Apple Design: Eine Analyse, Felix Torkar, avedition, 128 Seiten, ISBN: 978-3-89986-328-4, 28 Euro