Als die Apple Watch vor sieben Jahren im Frühling 2015 auf den Markt kam, waren sich die Technik-Blogs sicher, die Uhr musste mit den bereits vorhandenen Fitness-Trackern von Fitbit, Jawbone oder Runtastic konkurrieren. Zu kurz gedacht, wie sich heute herausstellt. Denn neben den klassischen Smartwatch-Funktionen wie Whatsapp-Benachrichtigungen oder gar Youtube ist die Apple Watch zu einem Gesundheitshelfer geworden, der schon mehrmals Leben gerettet hat . Was meinen nun Kevin Lynch & Co., wenn sie behaupten, die Apple Watch stecke noch in den Kinderschuhen, wo doch die Uhr ein Ein-Kanal-EKG, Sauerstoffsättigung und bald wohl die Körpertemperatur messen kann? Was soll die Apple Watch in zehn Jahren sonst noch können?
Technische Entwicklung der Prozessoren …
In den Jahren, seitdem wir die Apple Watch testen, haben wir uns von dem Gedanken verabschiedet, dass die Apple Watch ein Technik-Gadget ist. Zwar erfüllt die Uhr nominell die notwendigen Anforderungen: Sie hat einen Akku und entsprechend ein Netzteil, einen Bildschirm, der mal kleiner, mal größer ist und unterschiedliche Informationen anzeigt. Im Inneren sind neben dem Prozessor mehrere Sensoren eingebaut, die die Signale von der Umgebung und von dem Nutzer empfangen und diese auswerten. Dies alles ist zwar eine notwendige Grundlage für alles, was die Watch kann, aber nicht mehr als das. Es gibt jetzt Gerüchte, dass die Apple Watch Series 8 auf einen vergleichbaren Prozessor wie schon Series 6 und Series 7 setzt. Und raten Sie was? Davon wird nicht die Welt untergehen. Denn die Apple Watch hat lediglich einen Prozessor mit zwei Kernen, die A- und M-Prozessoren profitieren von der Weiterentwicklung jeder Generation, weil Apples Ingenieure die Zusammenarbeit mehrerer Kerne effizienter gestalten. Bei den vorhandenen zwei Kernen sind größere Sprünge nur dann zu erwarten, wenn der Hersteller auf ein neues Fertigungsverfahren umsteigt, von 7 Nanometer auf 5 Nanometer und so weiter.
Die Entwicklung von S-Chips hinkt den A- und M-Prozessoren etwas hinterher. So setzt Apple erst seit Series 4 (2018) auf die 64-Bit-Architektur, bei den A-Chips wurde in das iPhone 5S im Jahr 2013 der erste 64-Bit-Prozessor (A7) eingebaut. Die aktuellen Kerne in S6, S7 und wohl S6 setzen auf zwei energieeffiziente Thunder-Kerne vom A13 (iPhone 11). Voraussichtlich nächstes Jahr kann der Hersteller bei der neuen Apple Watch auf A14, höchstwahrscheinlich auf A15, respektive deren stromsparende Kerne Blizzard umsteigen, was sich primär an den Akkulaufzeiten positiv abzeichnen wird. Apple schweigt sich dazu aus, ob Neural Engine in der Apple Watch eingebaut ist. Wir vermuten, nicht. Wenn dem so ist, muss der Hersteller früher oder später seine Machine-Learning-Engine auch der Apple Watch spendieren, soll sich die Uhr noch selbstständiger vom iPhone machen.
… und der Sensoren
Zwar gehören Sensoren zur technischen Seite der Uhr, sind sie bei der Apple Watch eher im Gesundheitsbereich angesiedelt, sodass sie ganz andere Arten der Forschung verlangen. Zwar kann die Apple Watch noch keinen Blutzucker messen, es ist absehbar, dass sie das bald tun muss. Die Nachfrage nach der Funktion ist derart groß, dass Apple dies nicht ignorieren kann. Nach einigen Berichten soll der Hersteller seinen Blutzucker-Sensor erst 2025 auf den Markt bringen . Dies erachten sie als durchaus realistisch, haben sich die Entwicklungen bislang als Eintagsfliegen erwiesen.
Neben der Blutzuckermessung per Spektroskopie gibt es weitere interessante Entwicklungen auf dem Markt der Gesundheitssensoren. So hat die britische Firma Rockley Photonics noch im vergangenen Jahr in Börsenunterlagen berichtet, Apple sei an eigenen Sensoren, die nicht invasiv Alkohol, Milchsäure, Blutzucker und mehr messen können. Laut eines aktuelleren Berichts vom Mai 2022 soll Rockley Photonics eine Charge ihrer Sensoren für Testzwecke an “einen führenden Wearable-Hersteller” geliefert haben.
Neben der Spektrometrie gibt es weitere Entwicklungen auf dem Sensoren-Markt. So arbeitet ein schweizerischer Start-up Xsensio an einem smarten Pflaster, die Körperflüssigkeiten auswerten kann. Potenziell lassen sich damit im Körper neben Alkohol, Blutzucker und Milchsäure noch flüchtigere Substanzen messen wie Hormone, Elektrolyten, weitere Eiweiß-Arten. Xsensios Technologie ist jedoch noch recht weit von der Marktreife entfernt, dies ist tatsächlich eine Entwicklung, die wir erst in zehn Jahren auf der Apple Watch oder wie sie bis dahin heißen mag, testen werden.
Vorbeugen ist besser als Heilen
Die interessanteste Entwicklung bei der Apple Watch erwarten wir nicht im Bereich von Prozessoren oder Sensoren, sondern was ein schlauer Algorithmus oder Wissenschaftler daraus macht. Denn es ist nicht abwegig, dass Apple seine Health-App weiter in Richtung Personal Coach, Ernährungsberater und eine etwas nervende, aber fürsorgliche Mama entwickeln kann. Stellen Sie sich vor, Ihre Apple Watch fordert Sie zum Aufstehen auf, aber jetzt nicht so dumm wie aktuell “Es ist Zeit aufzustehen”, sondern nach dem Motto: “Die Cholesterinwerte in deinem Blut haben sich im Laufe der vergangenen zwei Stunden um 10 Prozent zum vergleichbaren Zeitraum erhöht. Um den Kreislauf anzuregen und sie zu senken, mache fünf Kniebeugen und fünf Liegestütze”.
Die möglichen Trendauswertungen und Warnungen der Health-App können unter anderem Diabetes vorbeugen, wenn die App oft genug den Nutzer warnt, wenn die Blutzuckerwerte in die Höhe schießen. Ist irgendwann mal die nichtinvasive Blutdruckmessung möglich, kann die Uhr vor erhöhtem Blutdruck warnen, noch bevor sich körperliche Symptome wie Kopfschmerzen oder Ohrensausen zeigen.
Die Mittel und Wege, wie man die meisten (Zivilisations-)Krankheiten vorbeugen kann, sind zwar bekannt und als wirksam nachgewiesen. Doch vielleicht lassen sich mehr Menschen zu Sport und anderen Essensgewohnheiten bewegen, wenn ein seelenloses Gadget ihnen aufzeigt, was Sitzen, Rauchen und ungesundes Essen ihrem Körper antun.