Hatten nicht einige verwegene Optimisten behauptet, im Jahr 2020 rolle das Apple Car autonom über die Straßen der Welt? Seit dem Jahr 2020 rollt etwas anderes um die Welt, von einem Apple Car ist dagegen kaum eine Spur zu sehen. Nur einige der dafür benötigten Technologien wie Lidar haben es in andere Apple-Produkte geschafft. Immerhin hat Apple eine Testflotte autonomer Fahrzeuge in Kalifornien und angrenzenden US-Bundesstaaten im Einsatz, mit denen es seine Technologien testet und weiterentwickelt. Dabei handelt es sich um umgebaute SUVs der Marke Lexus und nicht um schickes Apple-Design. Auch acht Jahre nach dem mutmaßlichen Start des “Projekt Titan” ist nicht abzusehen, in welche Richtung es sich entwickelt und was letztendlich dabei herauskommt.
In einer ausführlichen Geschichte berichtet “The Information” über Apples Schwierigkeiten bei der Entwicklung, die nicht nur technischer Art seien, sondern auch administrativ. So hatte es im Management mehrere Wechsel und damit verbundene Richtungsänderungen gegeben. Bei der Technik scheint Apple auch sehr großen Ehrgeiz an den Tag zu legen, aber weiterhin von einem Durchbruch entfernt zu sein. Für ein internes Werbevideo habe es eine Flotte autonomer Fahrzeuge bequem durch die Berge Montanas geschafft und sich dabei an den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort orientiert, ohne hochauflösendes 3D-Kartenmaterial nutzen zu müssen. Ohne solche Karten hätten sich die Fahrzeuge aber als reichlich orientierungslos erwiesen und hätten den einen oder anderen Bordstein mitgenommen – noch weit von jeglicher Alltagstauglichkeit entfernt, berichtet Wayne Ma für “The Information” unter Berufung auf interne Quellen.
Design noch von Jony Ive – Ehrgeizige Ziel
Wer sich an die erste Folge der Amazon-Prime-Serie “Upload” erinnert, hat ungefähr eine Vorstellung davon, wie das Apple Car in der aktuellen Vision aussehen soll. Im zuletzt diskutierten Design, an dem als externer Berater auch Apples ehemaliger Designchef Jony Ive beteiligt gewesen sein soll, sitzen die Passagiere sich im Auto gegenüber, das Dach des Fahrzeugs soll ähnlich geschwungen sein wie das des VW-Käfers. Apple sehe sogar vor, dass sich die Fahrgäste auch im Liegen fortbewegen könnten, an Bildschirmen für die Onboard-Unterhaltung soll es auch nicht fehlen. Nett sei auch die Idee, den Kofferraum des Fahrzeugs zum bequemeren Be- und Entladen hoch- und runterfahren zu können. In beratender Funktion habe Jony Ive den beteiligten Entwicklern davon abgeraten, die Sensoren des Fahrzeugs zu “verstecken”.
Abseits der technischen Probleme dürfte Apple auch solche mit den Zulassungsbehörden bekommen. Dem Bericht zufolge soll Apple die Ausnahme beantragt haben, das iCar ohne Lenkrad und Pedale auf die Straße bringen zu dürfen, es solle also mehr ein Computer auf Rädern werden als ein Kraftfahrzeug, bei dem die Insassen noch eingreifen könnten.
Doch ist alles, was man zum Apple Car hört , schwer bis überhaupt nicht überprüfbar. Im Sommer 2016 soll der Apple-Veteran Bob Mansfield eigens aus dem Ruhezustand zurückgekehrt sein , um sich um das Projekt zu kümmern, zwischendrin war immer wieder von Massenentlassungen und einer völligen Neuausrichtung der Projektziele die Rede. Zuletzt ließ der interne Wechsel des bisherigen Hardwarechefentwicklers Dan Riccio aufhorchen , im Januar 2021 übergab er seinen Posten an John Ternus, um sich bei Apple um ein “neues Projekt” zu kümmern. Als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass es sich hierbei um Apples spekulierte AR/VR-Brille handelt – wenigstens hat das gewisse Schnittstellen zum autonomen Fahren.
Dass Apple das Thema aber prinzipiell ernst nimmt, war erst wieder auf der WWDC im Juni zu sehen, bei einer Vorschau auf die Zukunft von Apples Carplay. Man wolle so tief wie nie zuvor in die elektronischen Systeme des Fahrzeugs vordringen, erklärte Chef-Entwickler Craig Federighi, und Informationen aller Art auf dem iPhone und den damit gekoppelten Anzeigen im Auto bündeln. Diese Aussicht schmeckt der Industrie wenig, VW-Chef Herbert Diess hat bereits angekündigt, weder Apple noch Google auf diese Art in das Auto zu lassen .