Der Prozess Epic vs. Apple um den App Store hat am 3. Mai vor dem Bezirksgericht von Nordkalifornien in Oakland begonnen: Der Worte sind genug gewechselt, aber noch nicht von allen vor Gericht vorgetragen. Dieses steht vor einer womöglichen historischen Aufgabe, die den App Store, so wie wir ihn seit bald 13 Jahren kennen, komplett verändern könnte – oder alles beim Alten belassen, was Apple bestätigen würde. Im Wesentlichen geht es darum, ob Apple mit seinem App Store ein Monopol errichtet hat, das es in unfairer Art und Weise ausnutzt und überhöhte Gebühren kassiert. Apple argumentiert stets, dass 30 oder auch nur 15 Prozent Umsatzbeteiligung (bei geringen Umsätzen oder ab dem zweiten Jahr eines Abos) vollkommen angemessen seien für den digitalen Softwarevertrieb. Die strengen Regeln des App Store, die unter anderem verbieten, virtuelle Währungen für Apps anders als über den Mechanismus des In-App-Kaufs zu verkaufen, dienen dazu, die Kunden vor Betrug, schadhafter Software, Verletzung ihrer Privatsphäre und anderen Unannehmlichkeiten zu schützen.
Timeline Epic vs. Apple
3. Mai: Keine neuen Argumente, Tumulte im Publikum
4. Mai: Fiese Wortspiele und gangbare Umwege
5. Mai: Nicht nur einer flog aus dem App Store
6. Mai: Einige sind gleicher
Keine neuen Argumente, kurze Tumulte im Publikum
Am Tag 1 trug Epic Games in seiner Einlassung der Richterin Yonne Gonzalez Rogers seine oft genannten Vorwürfe vor : Der App Store sein ein “Walled Garden”, in dem man nur reinkomme, wenn man Apples Bedingungen akzeptiert und hohe Provisionen bis 30 Prozent des Umsatzes abdrückt – es handele sich hier um ein unerlaubtes Monopol. Apple indes argumentiert wie gehabt: Der App Store müsse monolithisch bleiben, um die Sicherheit der Anwender gewährleisten zu können. Ließe man alternative Stores oder auch nur andere Zahlungssysteme zu, würde diese Sicherheit bröckeln.
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“Epic will uns dazu zwingen, Android zu sein, aber wir wollen das nicht,” erklärte Apples Anwältin Karen Dunn. Epic habe im letzten August die Regeln des App Store verletzt, weswegen man Fortnite aus dem Store werfen musste, um dessen Sicherheit aufrechtzuerhalten. Epic-CEO Tim Sweeney räumte ein, diese Verletzung habe man bewusst vorgenommen, um dem Publikum zu zeigen, dass Apple die “totale Kontrolle” über iOS und die im App Store angebotenen Programme ausübe.
Im Gerichtssaal selbst sind keine Zuschauer zugelassen, nur die Prozessbeteiligten dürfen ihn unter Hygieneauflagen betreten. Die Verhandlung ist dennoch öffentlich, per Youtube können Interessierte den Fortgang live verfolgen. Hierbei kam es laut Spiegel in den ersten 20 Minuten des ersten Prozesstages zu technischen Pannen: Die Zuhörer waren nicht stumm geschaltet, weshalb im Stream stets Anfeuerungsrufe der meist eher jungen Fanboys beider Lager zu hören gewesen seien: “Epic Games! Epic Games!” auf der einen Seite und “Wenn er es einmal vermasselt, haben wir iOS nicht mehr” über Epic-CEO Tim Sweeney, der hoffentlich wisse, was er tue, von der anderen Seite.
Tag 2: Fiese Wortspiele und gangbare Umwege
Im epischen Streit von Epic gegen Apple um den App Store greift der Kläger laut CNBC nun tief in die Mottenkiste . So sollen von Epic Games vorgelegte interne Apple-Mails beweisen, dass Cupertino seit zehn Jahren gar, landauf, landab und krumm die Entwickler führte an der Nas’ herum. Wobei, ganz so lyrisch wie Goethe lesen sich die vorgelegten Beweismittel nicht, wenn auch der Verfasser, der verstorbene Apple-CEO Steve Jobs, auch sehr geschickt mit Worten umzugehen wusste.
Im Kontext geht es darum, dass sich Facebook einige Sonderrechte für seine iPad-App im App Store erstreiten wollte, vor allem für Spiele wie Farmville. In einer der Mails ließ sich Steve Jobs zu einem eleganten Zug hinreißen, den man freilich auch als eine bloße Unverschämtheit ansehen kann. Man könne Zuckerbergs Forderung zustimmen, wenn man eine aus der Liste streichen würde. Wobei Jobs hier ein anderes “Synonym” verwendete: “I agree – if we eliminate Fecebooks third proposal it sounds reasonable.” Kein Tippfehler: Fecebook. Da wir uns solcher Sprache normalerweise nicht bedienen, mussten wir es auch erst im Lexikon nachschlagen: Aber das Wort “feces” bedeutet nun mal Fäkalien. Das lassen wir erst mal so stehen.
In seinem Bemühen, Apples Anteil an den Umsätzen zu reduzieren, hat Epic gestern vor Gericht womöglich einen Rückschlag einstecken müssen. Diskutiert hat Richterin Yvonne Gonzalez Rogers mit Epic-CEO Tim Sweeney das Thema der “Cross Wallet”: Spieleanbieter können sehr wohl In-App-Währung für ein iOS-Spiel über eine andere Plattform wie den PC beziehen lassen, wenn der Spielstand mit dem iOS-Gerät synchronisiert wird. So ist es möglich, Apple seinen Anteil zu verweigern – und das noch dazu gedeckt von den Richtlinien des App Store.
Nur aus iOS heraus ist es eben von Apple untersagt, in anderen Läden einzukaufen. Tim Sweeney hält eine solche Cross Wallet aber für zu umständlich und unbequem, wenn man erst das Gerät wechseln müsste, um einkaufen zu können. Die Richterin indes entgegnete, dass diese Methodik gerade für die jüngere Zielgruppe doch eine bestens geeignete wäre, so könnten etwa Eltern auf ihrem PC kontrollieren, was und wie viel die Kinder für ihr Spiel einkaufen. Einen Haken gibt es jedoch, wie Benjamin Simon, der CEO des Herstellers des Spiels “Down Dog” aussagte, das eine solche Cross Wallet anbietet. Denn Apples Richtlinien erlauben es eben nicht, innerhalb der App für eine derartige Option zu werben, die Kunden müsse man anderweitig erreichen, etwa per Mail.
Tag 3: Nicht nur einer flog aus dem App Store
Microsoft hat mit seinem xCloud-Service bereits versucht, für eine andere Medienform eine Ausnahme à la Netflix erhalten, aber vergeblich. Die Hüter des App Stores haben die Anwendung für Spielestreaming mit der Begründung abgelehnt, dass die Anwender keine verlässlichen Informationen über einzelne Inhalte bekämen, sondern gewissermaßen die Katze im Sack kaufen würden. Die Ablehnung hatte aber Folgen für Dritte, wie laut 9to5Mac aus E-Mails hervorgeht , die die Kläger am dritten Tag des Prozesses Epic vs. Apple vor Gericht vorlegten. Denn der Bann von xCloud traf auch die ähnliche funktionierende Spielestreaming-App Shadow, die Apple dann ebenfalls aus dem App Store verbannte. Shadow ist mittlerweile mit einer neuen Funktionalität zurückgekehrt und streamt Spiele von einem PC im lokalen Netzwerk auf das iOS-Gerät, das ist laut App-Store-Richtlinien erlaubt.
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Tag 4: Widerspruch ist zwecklos, alle sind gleich, aber andere gleicher
Wie der für den Überprüfungsprozess im App Store zuständige Apple-Manager Trystan Kosmynka gestern im Prozess gegen Epic vor Gericht aussagte, würde nur gegen rund ein Prozent der ablehnenden Bescheide Widerspruch eingelegt werden . Die meisten Ablehnungen könne man dann aufrechterhalten, die Fehlerquote des Prüfungsprozesses sei also recht niedrig, vor allem im Vergleich zur Effizienz des gesamten Prozesses. In den frühen Tagen des App Store war die Überprüfung offenbar nicht immer so effektiv und streng, wie sich das Apple gewünscht hätte, zeigt ein anderes Dokument, eine Mail von Marketing-Chef Phil Schiller an die Verantwortlichen des App Store. Diesen war ein Plagiat des seinerzeit sehr populären “Temple Run” “durchgerutscht”, was Schiller nicht akzeptieren konnte: Keine Screenshots aus dem Spiel zur Überprüfung eingereicht, dafür aber einen sehr schlechten Marketing-Text, damit könne man doch nicht die Nummer Eins unter den kostenlosen Spielen werden? Liege denn niemandem die Qualität des App Store am Herzen, überprüfe hier niemand? Auch Apps zum Handlinienlesen oder eine mit dem Titel “Hide My Fart” hätten nie die Überprüfung passieren dürfen. Scam-Apps sind für Apple ein nicht zu unterschätzendes Problem, laut der Sicherheitsfirma Avast kosten diese den Kunden bis zu 400 Millionen US-Dollar im Jahr. Für Apple sind derartige Scams nicht nur peinlich, sondern eröffnen eine andere Front der Rechtsstreitigkeiten. Denn der Entwickler Kosta Eleftheriou klagt eifrig gegen Scam im App Store – ihm gehen die Überprüfungen an vielen Stellen nicht weit genug.
Im App Store sind alle Entwickler gleich, andere offenbar gleicher. So gebe Apple einigen Entwicklern neue Funktionen eher zur Hand, um sie auszuprobieren, bevor alle davon profitieren können, sagte Apples App Store VP Matt Fisher gestern vor Gericht aus . Andere Entwickler bekommen auch von Apple eingeräumt, eigene Bezahlsysteme anstatt das In-App-Payment zu nutzen, etwa Amazon oder der Hulu, dem Apple auch die Möglichkeit eines Zwei-Familien-Abos einreichte. Aber auch der Kläger Epic Games profitierte von einer derartigen Bevorzugung, so war es etwa Fortnite, in dem man als Erstes aus einer App heraus anderen Spielern etwas schenken konnte. Apple habe auch mehr als ein Auge zugedrückt, als Epic Games innerhalb von Fortnite ein Konzert von Travis Scott vermarktete.