Der Kollege Lohmann hat vor wenigen Wochen das Ende der Smartphone-Ära prophezeit, das ist im Grunde genommen logisch, denn nichts währt ewig. Doch wenn die Smartphones nicht mehr da sind, was kommt danach? Schließlich muss ein Gerät oder die Kombination aus mehreren Geräten die Glasplatten in unserer Hand ersetzen, die zum Zentrum des digitalen Ichs geworden sind.
Smartphones sind als Geräteklasse noch gar nicht so alt: Seit 2007 – Vorstellung des iPhone am 9. Januar – sind gerade mal 14 Jahre vergangen, selbst im Vergleich mit Computern ein regelrechtes Teenager-Alter. Ob die Smartphones noch weitere 15 Jahre den Markt der persönlichen elektronischen Geräte beherrschen, ist jedoch fraglich. Die Entwicklung hat sich besonders in den ersten beiden Jahrzehnten des 21sten Jahrhunderts beschleunigt. Als Geräteklassen sind nun Smartwatches und smarte Kopfhörer etabliert, und das nur innerhalb von sechs Jahren, eine unglaublich kurze Zeit, wenn man sie mit Maßstäben des 20sten Jahrhunderts misst. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahrzehnten noch weiter drehen, mal langsamer, mal schneller – je nachdem, wie schnell die klugen Kopfe die anstehenden Probleme lösen.
Das Ende ist nah – denn die Quantenphysik lügt nicht
Eines der größten Probleme der Computerentwicklung ist das bevorstehende Ende des Moorschen Gesetzes: In den Sechzigern hat Intel-Mitgründer Gordon Moore beobachtet, dass sich die Anzahl der Schaltkreise auf einem Chip gegebener Größe alle zwölf bis 18 Monate verdoppelt. Diese Beobachtung hat er in die Zukunft extrapoliert und skizziert, wie sich Wirtschaft, Militär und Technik weiterentwickeln können, wenn diese Verdoppelung über mehrere Jahrzehnte stattfindet. Die Transistoren-Dichte auf dem Chip hat jedoch ihre Grenzen: Auf der Atom-Ebene, also mit den Chips in Dicke eines Atoms, ist Schluss. Mit den aktuellen 5-Nanometer-Chips, wie sie in iPhone 12 arbeiten, und mit geplanten 2-nm-Fertigung bei Apple-Zulieferer TSMC kratzt die Industrie an der grundlegenden Grenze für Chip-Entwicklung. Silizium, woraus die modernen Chips hergestellt werden, hat einen Atomradius von knapp 0,1 Nanometern , respektive einen Van-der-Waal-Radius von 0,2 nm, der bei der Frage, wie nah man Strukturen in einem Halbleiter aneinander bringen kann, eher entscheidend ist.
Kurzum, die Chips als Grundlage für alle elektronischen Geräte werden immer kleiner und leistungsfähiger, diese Entwicklung soll sich noch mindestens fünf Jahre fortführen. Schon jetzt gibt es einige Tricks wie bei Apples dedizierten Chip-Bereichen, die nur für konkrete Aufgaben wie Maschinelles Lernen bestimmt sind, oder Parallelberechnung mit mehreren Kernen, die auch dann Leistungszuwächse garantieren, selbst wenn der Grundlagen-Chip die gleiche Anzahl an Transistoren nutzt.
Was macht man aber mit immer kleineren und immer leistungsfähigeren Chips, die auch in den nächsten Jahren auf den Markt kommen? Eine Antwort, bzw. ein Versuch einer Antwort hat Apple selbst in seinem Interview gegenüber CNN gegeben : Die komplette Entwicklung des iMacs beruht auf der Idee, den Computer verschwinden zu lassen. Der Nutzer soll sich nicht sorgen, wo und wie er seine Daten gespeichert hat, sondern nach Abruf sofort dort haben, wo er sich gerade aufhält. Der iMac widerspiegelt diese Idee, weil dies eigentlich nach seiner Bauweise nur ein gutes Display ist, der Rechner darin nimmt eine verschwindend geringe Fläche ein. Es ist vielleicht schwierig vorstellbar, aber schon jetzt arbeiten in einer Apple Watch und in einem M1-iMac die gleichen Chips, nur mit einer unterschiedlichen Anzahl von Kernen und einer anderen Stromversorgung.
Wenn das Smartphone verschwindet, was bleibt?
Apple tritt mit seinem Gedanken, den Rechner verschwinden zu lassen, in die Fußstapfen vergangener Generationen: War die erste Glühbirne oder das erste Telefon gleich ein Gesprächsthema und ein Besuch bei den Nachbarn wert, ist heutzutage im Alltag die Beleuchtung nicht mal auf die physischen Schalter, sondern auf Siri-Shortcuts reduziert, also Sprachbefehle ohne jegliche physische Interaktion. Wenn man das Smartphone nicht in seine Bestandteile, sondern Bestand-Konzepte auseinander nimmt, ist es ein Gerät, womit Nutzer die Informationen empfängt, erstellt, bearbeitet und weiterschickt. Im Prinzip haben wir bereits jetzt ein Gerät, das die grundlegenden Funktionen des Info-Empfangs, der Analyse und Weiterleitung übernimmt – die Apple Watch. Die smarte Uhr ist für die ellenlangen Listen der Auswertungen in der Health-App zuständig. Die Daten werden nur noch auf dem iPhone dargestellt, weil auf dem kleinen Bildschirm der Watch einfach der Platz dazu fehlt. Wenn wir also die Hauptplatine des iPhones mit der Apple Watch ersetzen, was schon jetzt gar nicht so weit hergeholt ist, bleiben noch zwei Probleme: der Informations-Eingabe, also Ersatz für den Touch-Screen oder die Tastatur und das Display.
Anzeigen allüberall – und der Computer am Körper
Es gibt bereits erste Smartphones mit einem Falt-Display, doch diese lösen das Problem der flexiblen Darstellung der Inhalte nur unzureichend. Im Grunde genommen will ein Nutzer seine Inhalte passend zu der aktuellen Situation dargestellt haben, in der er sich gerade befindet: An einem öffentlichen Ort möglichst diskret, zu Hause in der möglichst hoher Qualität, bei der Arbeit so, wie es die aktuelle Aufgabe verlangt. Die zwei Größen der faltbaren Smartphones lösen dabei nur ein winziges Teil des Problems. Man kann diese Angelegenheit von der anderen Seite vorstellen: Was ist, wenn wir in der Zukunft gar keine Displays mit uns tragen müssen, weil wir immer eine passende Lösung dort vorfinden, wo wir sie brauchen? Der heimische Fernseher mit dem schlauen Chip oder schlauen Konsole wird zu einer Display-Tapete, die sich die Daten von mobilen Hauptplatine des Nutzers und aus Cloud besorgt. Bei der Arbeit und im Home-Office haben wir schon jetzt Monitore stehen, die nur darauf warten, dass man Notebooks daran anstöpselt. Und unterwegs wird uns entweder Siri im Ohr mit den im Moment benötigten Informationen versorgen, oder, wenn es soweit ist, eine smarte Kontaktlinse wird das Gesehene mit den erweiterten Infos anreichern. Es gibt schon jetzt Gerüchte, dass Apple an einer AR-Brille arbeitet, doch machen wir uns nichts vor – das ist nur eine Notlösung bis zu der Zeit, bis die Chips so klein sind, dass einige Schaltkreise auf die Linse passen und zumindest die Aufgabe der Darstellung übernehmen können. Das würde auch reichen, wenn den Rest unsere mobile Hauptplatine übernimmt – Sie wissen schon, die Apple Watch.
Etwas problematischer ist die Info-Eingabe – Smartphones und Tablets haben sich eben aus dem Grund durchgesetzt, dass sie die letzte abstrakte Hürde einer Tastatur oder Maus abgeschafft haben und gleich auf Berührung mit den Fingern gesetzt haben. Bei reinen Texten ist das schon jetzt kein Problem: Bei der Whatsapp kommen mehr gesprochene Nachrichten als Texte, hier sind nicht mal Finger, und entsprechend ein Display zum Tippen notwendig, sondern nur noch die eigene Stimme. Siri Kurzbefehle zeigt ebenfalls, wohin sich die Apps bzw. ihre Entwicklung bewegen kann: Statt über eine grafische Oberfläche zu navigieren und abstrakte Knöpfe auf dem Display zu drücken, wird diese grafische Oberfläche zum größten Teil abgeschafft. Die Aufgaben, für die man früher einige Dutzend Tapps und Bestätigungen ausführen sollte, werden mit einem einzelnen (Sprach-)Befehl abgearbeitet. Die meisten Apps können so in den tiefen der Künstlichen Intelligenz auf dem Chip verschwinden, oder von einem schlauen Assistenten erledigt werden, kein Display wird hier nötig.
Eine weitere Antwort auf diese Frage hat zuletzt Apple geliefert : Im Herbst kann man die Apple Watch nur mit den Gesten der einen Hand bedienen, an die die Apple Watch gebunden ist. Das ist eine Art Gebärdensprache, die eigentlich jegliche Eingabe-Software überflüssig macht. Wozu noch eine Maus, Tastatur, ein Trackpad oder Touchdisplay, wenn man in der Luft auch richtig diskret die Aufgabe mit zwei Fingern erledigt. Und das Beste ist, wir werden ab Herbst erfahren, ob Apple-Watch-Nutzer diese Zukunft ausgedacht von Apple annehmen oder nicht.
Müssen sich das iPhone 13 und Galaxy S22 fürchten?
Nein, die Smartphones sind im letzten Jahrzehnt zu einem festen Bestandteil eines normalen Alltags geworden und werden dies noch einige Jahre bleiben. Es ist schon jetzt klar, dass sich die Technologie immer weiter personalisiert und miniaturisiert. Was Apple mit der Apple Watch losgetreten hat, wird nicht verschwinden. Smarte Kopfhörer sind die nächste Stufe, noch kleiner und nah an Körper ist die smarte Kontaktlinse, doch solche Lösungen sind noch nicht auf dem Markt. Irgendwann mal wird sich die größte Angst der Verschwörungsanhänger bestätigen, und wir werden Nano-Chips direkt im Körper tragen – jedoch freiwillig. Mit der aktuellen Impfkampagne ist das aber noch nicht der Fall.