Es geht mal wieder eine kleine Studie um, die iPhone- und Android-Nutzer:innen miteinander vergleicht. Schwerpunkt diesmal ist (Cyber-) Sicherheit, das Vertrauen der User:innen in ihre jeweilige Plattform und ihr Verhalten. Die Studie hat Beyond Identity angefertigt, ein Security-Dienstleister im Bereich der passwortlosen Authentifizierung. Befragt wurden 1.003 Amerikaner:innen, praktisch gleichmäßig verteilt auf Nutzer:innen von Android und iOS (505 vs. 498).
Viele Portale und Zeitschriften sind darauf aufmerksam geworden, auf einen Punkt ganz besonders: „49% of Android users are considering switching to Apple due to perceived superiority in security and privacy“ heißt es im kurzen Bericht, zu Deutsch: „49 Prozent der Android-User überlegen, wegen empfundener Überlegenheit in den Bereichen Sicherheit und Privatsphäre zu Apple zu wechseln.“ Entsprechend heißt es hier und da dann: „Hälfte der Android-User will zu Apple wechseln!“ Das ist aber (wahrscheinlich) falsch.
Hälfte der Hälfte der Hälfte
Das Problem beginnt im Bericht selbst. Die besagten 49 Prozent fallen direkt am Anfang in der Liste der Schlüsselergebnisse, im Text wird der Sachverhalt mit mehr Worten, aber nicht mit mehr Details dargelegt. Wesentlich weniger Beachtung findet die Tatsache, dass es im Bericht zwei Angaben zum User-Wechsel gibt. Am Ende der ersten großen Infografik steht: „36% of Apple users are considering the switch to Android, while only 25% of Android users are thinking of switching to Apple.“ Darauf wird im Text aber nicht weiter eingegangen. Viel interessanter jedoch: Hier will nur ein Viertel der Android-User:innen zu Apple wechseln und nicht knapp die Hälfte. Da ist das erste Problem: Entweder widerspricht sich der Bericht oder er ist schlecht formuliert. Während wir auf Stellungnahme von Beyond Identity warten, gehen wir kulanzhalber davon aus, dass hier einfach nicht ordentlich geschrieben wurde.
Unser Tipp: Ein Viertel der befragten Android-User:innen würden zum iPhone wechseln und knapp die Hälfte davon gibt Sicherheit und Datenschutz als Grund an. Summa summarum würden also rund 12,5 Prozent der Android-Nutzer:innen aus dieser Umfrage aus diesem Grund ihrer Plattform den Rücken kehren und ein iPhone kaufen. Nicht etwa die Hälfte aller Android-User:innen, sondern die Hälfte derer, die überlegen, zu wechseln.
Update: Beyond Identity bestätigt auf Nachfrage, dass es sich um einen Fehler in der Formulierung handelt und unsere Interpretation korrekt ist.
(Nicht) das Maß aller Dinge
Das nächste Problem: die Versuchsgruppe. 1.003 Personen wurden befragt, Personen aus den USA. Beyond Identity selbst schreibt im Bericht: „Obwohl Android auf dem Weltmarkt dominiert, haben die USA historisch eine starke Vorliebe für iPhones.“ In der Tat gibt Statcounter für iOS in Amerika einen Marktanteil von rund 55 Prozent an und auch Statista attestiert iOS einen Sieg, wenn auch einen etwas knapperen (51,2 vs. 48,3 Prozent). Weltweit sieht die Situation hingegen völlig anders aus, hier kommt iOS auf lediglich 27,5 Prozent ( Statcounter ) bzw. 25 Prozent ( Statista ). Die USA als Maßstab für aussagekräftige statistische Auswertungen im Zusammenhang mit Apple herzunehmen ist also in etwa so, als würde man in der Allianz-Arena nach der Stimmung zum RB Leipzig fragen – schlecht.
(Nicht) das Gelbe vom Ei
Insgesamt wirft diese Studie, zumindest so, wie sie aufbereitet wurde, mehr Fragen auf als sie beantwortet. Beyond Identity sagt, dass 33 Prozent derer, die von Android zum iPhone wechseln würden, es wegen iOS 16 täten, das im September zusammen mit dem iPhone 14 erscheinen soll – weil es neu ist und mehr Sicherheitsfeatures mit sich bringt. Dass erst vor wenigen Tagen Android 13 erschienen ist, darüber verliert Beyond kein Wort und auch nicht darüber, ob und wie viele der 36 Prozent wechselfreudigen iPhone-Nutzer:innen es wegen Android 13 tun würden. Auch werden keine Gründe angegeben, warum mehr iPhone-Nutzer zu Android wechseln wollen als umgekehrt.
Lesetipp: iPhone 14: Ein hohes Risiko für Apple!
Weiterhin hat Beyond Identity danach gefragt, ob Nutzer:innen im selben Zeitraum Opfer von Cyberangriffen jeglicher Form geworden sind, etwa von Malware, Scams, oder Leaks. Hier wird eine weitere Schwachstelle der Umfrage deutlich, schließlich handelt es sich bei allen Angaben um Selbstauskünfte – und die sind immer betroffen von menschlichen Fehlern wie Vergessen, Übertreibung und schlichtweg Unwissen. Besonders auffällig wird das bei der Frage nach den Sperrmethoden für den Sperrbildschirm. Hier gaben 23 Prozent der Befragten an, Ihr iPhone mit einem Swipe-Muster zu entsperren, weitere 8 Prozent mit einem Iris-Scanner – Funktionen, die ein iPhone einfach nicht besitzt. 43 Prozent verwenden eine vierstellige PIN, wo iOS doch standardmäßig sechs Stellen verlangt und ein Downgrade auf vier Stellen recht tief in den Einstellungen versteckt ist. Immerhin weist Beyond selbst am Ende des Berichts auf diese Fehlerquelle hin. Wir hegen ernsthafte Zweifel daran, dass ein nennenswerter Teil von tausend Personen einen Angriff mitbekommen oder gar erkennen würde.
Des Pudels Kern
Von den deutlichen Unklarheiten mal abgesehen, lassen sich aus den Daten von Beyond Identity dennoch interessante Schlüsse ziehen, wenn auch wenige unerwartete: Im Großen und Ganzen fühlen sich iPhone-Nutzer:innen etwas sicherer als Android-Nutzer:innen, aber nicht wesentlich – in jedem Punkt beträgt der Unterschied nur wenige Prozentpunkte im einstelligen Bereich. Spannend hingegen ist, dass Besitzer:innen eines iPhones ihr Gerät deutlich häufiger verlieren oder vergessen als Besitzer:innen von Android-Geräten. 21 Prozent gaben an, ihr iPhone in den vergangenen sechs Monaten viermal oder häufiger verloren zu haben. Bei Android beläuft sich die Zahl auf nur 14 Prozent.
Beyond schiebt die häufigeren Verluste auf den „Peltzman-Effekt“, bei dem Sicherheitsvorkehrungen durch gegenläufige Risikobereitschaft wieder ausgeglichen werden. Kurz gesagt: iPhone-Besitzer:innen fühlen sich sicher und verlieren deshalb häufiger ihre Geräte.