Kennen Sie das Gefühl der hellen Vorfreude, das sich dann plötzlich in bittere Enttäuschung umschlägt? Nein, die Rede ist von Jendriks Auftritt beim ESC 2021, sondern von Sprachnachrichten. Wobei wir schon wieder beim deutschen Eurovisions-Beitrag wären, denn dabei fühle ich keineswegs “keinen Hass”, sondern eher umgekehrt: Die Whatsapp meldet eine Nachricht von einem Kontakt, von dem man tatsächlich etwas hören will, und es kommt eine zweiminütige Sprachnachricht. Nach diesen zwei Minuten ist man fast genauso schlau wie davor, schade einfach um die Zeit.
Man kann schon verstehen, warum Sprachnachrichten all die Messenger-Dienste erobert haben. Das mobile Internet ist mittlerweile so gut und weit verbreitet, dass man nicht mehr auf die Größe der abgeschickten Dateien achten muss. Zudem kann man etwas einsprechen deutlich schneller als eintippen. Und gesprochene Sprache beherrschen wir intuitiver und wohl besser als geschriebene: Schreiben oder in dem Fall Tippen ist eine zusätzliche Schicht zwischen dem Absender und Empfänger. Diese ist in der Entwicklung der Menschheit deutlich später entstanden als gesprochene Sprache, auch Kinder lernen Sprechen deutlich früher als das Schreiben.
Das Monster ist los
Doch bei der digitalen Kommunikation, sei es per Whatsapp oder iMessage ist das die Pest. Whatsapp hat wohl verstanden, welches Monster es geschaffen hat, denn letzte Woche gab es ein Update , das die erhaltenen Sprachnachrichten doppelt so schnell abhören lässt. Doch das wird das Problem nicht lösen. Es liegt eher in der Natur der Kommunikation per Sprachnachricht bzw. per Messenger. Diese war und ist einseitig, die Instant Messenger haben gegenüber E-Mail etc. nur noch die Möglichkeit geschaffen, die Nachrichten ohne Aktualisieren zu empfangen und direkt im gleichen Fenster zu antworten.
Eine Sprachnachricht hat für den Absender recht viele Vorteile, für den Empfänger fast nur Nachteile. Ist man nicht in die Stimme verliebt, muss man sich mehrere Minuten lang mit den “Ähms” und “Also” abmühen, denn der Absender ist nur in den seltensten Fällen ein ausgebildeter Radiomoderator, der spontan druckreife und kohärente Gedanken formulieren kann. Für einige wird es eine Offenbarung, aber man labert doch ziemlich viel Schwachsinn, die gedachte Information kann in dem eigenen Gedankenfluss schnell untergehen. Für das Gegenüber wird das noch schwieriger, der weiß ja meistens nie im Voraus, was man ihm zu mitteilen gedachte und muss die Quäntchen Information im zugeschickten Redeschwall herausfischen. Selbst unterbrechen oder nachfragen geht es nicht, denn die Sprachnachricht ist ja schon fertig verfasst.
Sprachnachrichten sind nicht so diskret
Dazu hat man nicht immer die Möglichkeit, die Sprachnachricht diskret abzuhören, noch vor der Pandemie im Büro vor Ort musste sich der Absender gedulden, wenn es Feierabend war. Im Bus, in der Bahn und Co. ohne Kopfhörer ist es auch nicht sonderlich nett, noch die Mitreisenden mit dem Stream of Consciousness eines Unbekannten zu beschallen.
Deswegen schlagen wir an der Stelle vor, die veraltete und bei manchen verhasste Funktion der Sprachnachrichten einen Schritt weiter zu denken. Wie wäre es, wenn Sprachnachrichten gegenseitig werden, das heißt, der Empfänger kann den Sender hören, während dieser gerade spricht, quasi Instant Voice Messaging . Er kann dann spontan nachfragen, wenn etwas nicht klar ist, den Redner etwas einschränken, wenn dieser ausschweift, er kann dann praktisch sofort eine Antwort liefern, ohne noch eine zusätzliche Sprachnachricht zu verschicken. Aber wir bezweifeln, dass eine solche Funktion jemals auf iPhones oder Samsungs dieser Welt schaffen kann, schließlich konnten sich die Telefonanrufe nie wirklich durchsetzen, denn dabei muss man noch dem Gegenüber zuhören, bei einer Sprachnachricht ist der Störenfried nicht aktiv beteiligt, man kann so ausreden, ohne jemand ins Wort fällt.