28. Februar: Völlig verstrahlt
Macwelt wünscht guten Morgen! Man liest ja viel Unsinn dieser Tage im Internet – und nicht erst, seitdem der Aggressor auch einen Krieg der Desinformation führt. Und – schwupps – haben Hobby-Virologen zum Militärexperten umgeschult und plappern brav alles nach, was ihnen Internettrolle aus Sankt Petersburg per Telegram und anderen Kanälen zustellen.
Aber was wir kürzlich lasen, brachte uns beinahe zum Lachen. “Lache, wenn’s nicht zum Weinen reicht” singt Grönemeyer und an sich ist die Unwissenheit, die mit Boshaftigkeit einher geht, nicht zum Lachen, sondern eher zum Wüten und Weinen. Im Impfstoff – welcher, wurde nicht näher genannt – habe man per RAMAN-Spektroskopie SP3-Kohlenstoff gefunden! Ja, wer würde dann nicht schreiend aus dem Impfzentrum herausstürmen, in die nächste Kneipe und dort einen Beruhigungsschnaps bestellen. Hätten nicht wiederum andere Wissenschaftler per Fluoreszenzspektroskopie darin das gefährliche CH 3 CH 2 OH gefunden …
Die Strukturformel für Ethanol (vulgo: trinkbarer Alkohol) müssen wir nicht näher erklären, dass SP3-Kohlenstoff ein hybridisierter Kohlenstoff ist, wie er in organischen Verbindungen vorkommt, ist an sich auch nicht weiter der Rede wert. Der Begriff RAMAN vielleicht eher, zumal ihn die zitierten Schwurbler wie ein Akronym schrieben. Vielleicht sollen ihre leichtgläubigen Rezipienten fürchten, das stünde für R adio A ktive M assen A ngeregter N eutronen?
Während an hiesigen Schulen wenigstens noch ein paar Grundlagen von Chemie gelehrt werden, sodass man erwarten darf, Ethanol und andere Kohlenstoffchemie seien wenigstens ein bisschen bekannt, ist es mit dem Herrn Raman und seinen Leistungen natürlich ein wenig komplexer. Aber gemach, dafür ist das Macwelt-Morgenmagazin da.
Der Herr Raman hieß komplett Chandrasekhara Venkata Raman, meist C.V. Raman abgekürzt, und hat am 28. Februar 1928 einen Effekt experimentell nachgewiesen, den der österreichische Physiker Adolf Smekal fünf Jahre zuvor vorhergesagt hatte: die inelastische Streuung von Licht. Heute spricht man nur noch von Raman-Streuung, was die Leistung des indischen Physikers gar nicht genug ehren kann, der Kollege Smekal geriet hingegen zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit.
Was passiert bei Raman-Streuung? Vereinfacht gesagt, das: Ein Lichtstrahl trifft auf einen Festkörper oder ein Molekül einer Flüssigkeit und regt dieses (oder das Kristallgitter) mit seiner Energie an. Das Kristallgitter etwa gerät in Schwingungen, deren Quanten man “Phononen” nennt, oder im getroffenen Molekül heben sich die Elektronen der Schale auf höhere Niveaus. Dass es auch anders herum geht, und das Licht gewissermaßen auch bremsen und abregen kann, sei auch noch erwähnt, aber der wesentliche Punkt ist: das Licht verschwindet nicht, wie es bei einer Absorption der Fall wäre, sondern verlässt Festkörper oder Flüssigkeit in einer anderen Frequenz! Nun kann man genaue Schlüsse auf das Wesen der untersuchten Probe ziehen, wenn man das gestreute Licht spektroskopiert, also in seine einzelnen Frequenzen zerlegt und so erkennt, welche Energiequanten fehlen oder dazu kamen.
Das ist heute dank des Lasers ein so hochpräzises Instrument, dass man in der Tat sehen kann, welche Orbitale besetzt sind. Einsatz findet Raman-Streuung zum Beispiel auch bei der Untersuchung von Supraleitern, weil man genau wissen will, wie der Mechanismus aussieht, der Elektronen, die sich an sich abstoßen müssten, zu einem Paar koppelt. S-Wellen-Paarung? P-Wellen-Paarung? Ja, auch SP3-Kohlenstoff lässt sich damit erkennen. Aber das ist eben das Perfide an der Desinformation: Man behauptet Banalitäten und bläst sie zu einer vermeintlichen Gefahr auf, weil die Leute offenbar schon nicht mehr in der Lage sind, Banalitäten als solche zu erkennen. Oder an der Schule nichts von Chandrasekhara Venkata Raman hörten.
Raman erhielt für seine Arbeit den Nobelpreis für Physik des Jahres 1930, auch sein Neffe Subrahmanyan Chandrasekhar wurde diese Ehre zuteil, im Jahr 1983. Auch er gab einem physikalischen Phänomen seinen Namen, der Chandrasekhar-Grenze. Das ist wiederum keine, die man auf Landkarten findet, selbst wenn demnächst Desinformierer das behaupten sollten. Chandrasekhar wies nach, dass Weiße Zwerge nicht mehr als 1,4 Sonnenmassen haben können, alles, was darüber ist, zerfällt nach dem Ende der Fusionsprozess zu einem Neutronenstern oder gar einem Schwarzen Loch. Aber das ist jetzt mal genug Physik für die frühe Morgenstunde an diesem grässlichen Wintermontag.
Lesetipps für den Montag:
Unfug : Das letzte Woche von Ross Young kolportierte Gerücht, Apple arbeite an einem faltbaren Macbook, hat nun Bloombergs Mark Gurman wiederholt. Seine Quellen würden ihm ein solches Projekt bestätigen. Apple habe dabei bereits entschieden, auf eine physikalische Tastatur zu verzichten und diese durch einen Touchscreen zu ersetzen. Das könne doch nicht Apples Ernst sein, meint unser Kollege Michael Simon – eine Touchtastatur sei nur in einigen Fällen sinnvoll.
Aufgeteilt: Ein großes Plus des macOS ist die Benutzerverwaltung, wer schon länger dabei ist, erinnert sich, dass es in klassischen Zeit nicht oder kaum möglich war, mehrere Benutzer an den Mac zu lassen. Schon beim Einrichten eines neuen Mac sollte man sich dieses Vorteils bewusst sein, dich kann es vorkommen, dass man erst später einen bestehenden Account in zwei oder mehrere aufteilen möchte. Womöglich möchte man berufliche von privaten Daten trennen oder die von Familienmitgliedern separieren. Glenn Fleishman erklärt das Vorgehen im Detail und unterscheidet Fälle, in denen man auch verschiedene Apple-IDs nutzt oder große Datenmengen in der Cloud belässt und nicht lokal vorhält.
Colours of Spring : Falls die Gerüchte über eine Keynote am 8. März der Wahrheit entsprechen sollten, kommt in dieser Woche eine Einladung zu dem virtuellen Event. Apple scheint bereits die Nebeneffekte in Vorbereitung zu haben, so will ein Leaker vier neue Optionen für Magsafe-Silikonhüllen für das iPhone 13 entdeckt haben. Diese kämen in frischen Frühlingstönen in Rot, Gelb, Grün und Blau und würden die bestehende Kollektion erweitern.
Schaltplan : Ab dem iPhone 14 soll die mit dem iPhone X eingeführte Notch verschwinden, im Jahr 2022 zunächst in den Pro-Modellen und 2023 dann in allen. Ein auf Weibo geleakter Schaltplan soll nun das neue Design zeigen, im Display der iPhones 14 Pro werden zwei Löcher sein, hinter denen die Komponenten des True-Depth-Systems stecken, eines wird kreisförmig sein, das andere rechteckig mit stark abgerundeten Ecken, wie eine Pille geformt.
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