Die Apple Watch entwickelt sich immer mehr zu einem Gesundheits-Gadget: sie beobachtet die Herzfrequenz und macht ein EKG um Vorhofflimmern festzustellen, misst die Sauerstoffsättigung, warnt vor zu lauten Geräuschen und protokolliert die Fitness und den Schlaf. Schon seit einigen Jahren warten einige Apple-Kunden aber auf eine Funktion, die einen Durchbruch bedeuten würde: Das Messen des Blutzuckerspiegels über einen Sensor an der Unterseite der Apple Watch . Menschen, die ein Risiko für einen Diabetes haben oder daran erkrankt sind, würde dies eine nicht-invasive und kontinuierliche Kontrolle ihres Blutzuckerspiegels erlauben, ohne sich ständig in den Finger pieksen zu müssen.
Medizintechnik muss zuverlässig funktionieren
Glaubt man jüngsten Berichten , dann wird diese Funktion in der Apple Watch auch noch einige Jahre auf sich warten lassen, denn sie ist keine Lifestyle-Funktion wie der eingebaute Schrittzähler, bei dem eine annähernde Genauigkeit ausreicht. Eine Blutzuckermessung mit einem Hautsensor muss in gleichem Masse medizinisch genau und zuverlässig sein, wie die klassische Messung mit einem Tropfen Blut aus dem Finger und anschließender Analyse in einem separaten Messgerät. Dieses Maß an Zuverlässigkeit lässt sich nur durch klinische Studien mit ausreichend Testpersonen validieren. Die Blutzuckermessung würde dann einem zugelassenen Medizinprodukt entsprechen. Das kostet Zeit, vor allem in den USA vor der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA. Hinzu kommt, dass der Sensor nicht nur im Labor, sondern auch im Alltag technisch zuverlässig arbeitet muss.
So muss der Diabetes-Patient diesbezüglich noch Geduld zeigen. Doch auch die heutigen Generationen von Apple Watch und iPhone können Patienten beim Management ihrer Erkrankung gut helfen. Dabei passiert das Wichtigste quasi nebenbei, nämlich auf psychologischer Ebene: alleine dadurch, dass sich der Patient über die Technik intensiver mit seiner Krankheit und darüber mit seiner Gesundheit allgemein mehr beschäftigt, ist er eher bereit, Schwächen und Optimierungsmöglichkeiten in seinem Lebensstil zu erkennen und etwas daran zu ändern. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Therapie noch genauer befolgen wird, da er über Apple Watch und iPhone ein gutes Feedback erhält, das ihm Sicherheit und Motivation gibt, dass er beim Management seines Diabetes selbst aktiv mitwirken kann.
iPhone und Apple Watch als Gesundheitsmanager
Zum anderen wirkt die technische Unterstützung natürlich medizinisch, direkt auf die Erkrankung. Denn die einfache Erfassung und Dokumentation der Messwerte erlaubt es zu kontrollieren, ob der Blutzucker gut eingestellt ist, ob die Dosis und eingesetzten Medikamente gut wirken, auf Entgleisungen zu reagieren, dem Arzt die Messwerte vorzulegen, an Messungen und Medikamenteneinnahme zu erinnern. Vieles davon wurde vorher vielleicht nur über „daran denken“ oder aufschreiben erledigt – und öfter auch mal dadurch vernachlässigt oder vergessen oder falsch eingetragen. Wer regelmäßig seinen Blutzucker messen will oder muss, hat dies möglicherweise bisher mit einem herkömmlichen Blutzuckermessgerät und durch Aufschreiben der gemessenen Werte in einem Messtagebuch erledigt. Das erfordert, vor allem bei mehrmaligem Messen täglich, ein hohes Maß an Disziplin. Eine grafische Auswertung der Messdaten, die einen Verlauf abbilden können, ist so direkt nicht möglich. Auch kann das Messtagebuch verloren gehen.

©Beurer
Moderne Blutzuckermessgeräte senden die Messdaten automatisch per Bluetooth nach dem Messen an die dazugehörige App auf dem iPhone. Die meisten Hersteller von Blutzuckermessgeräten wie zum Beispiel Medisana, Beurer, iHealth oder OneTouch haben ihre Geräte mittlerweile so ausgestattet. In der App des Herstellers hat der Patient dann fortan seine aktuellen Messdaten immer dabei, kann sie sich zur besseren Darstellung eines Verlaufs grafisch darstellen lassen, seinem Arzt ein PDF mit den Daten per E-Mail zur Auswertung schicken. Wer seine übrigen Gesundheitsdaten wie Fitness, Puls, Gewicht, Blutdruck und dergleichen lieber in Apples Health-App zentral sammelt, kann zumindest bei den Apps von Medisana, Beurer, iHealth und OneTouch seine Blutzuckermessdaten dort importieren. Bei anderen Herstellern sollte man das vor dem Kauf eines Blutzuckermessgerätes abklären, wenn ein Datenabgleich mit Apple Health gewünscht ist.

©iHealth
Patienten, die kontinuierlich ihren Blutzucker messen müssen, greifen häufig auf CGM-Klebesensoren (CGM = Continous Glucose Monitoring) wie von Freestyle oder Dexcom zurück. Sie werden wie ein Pflaster zum Beispiel am Oberarm aufgeklebt und eine kurze flexible Nadel misst alle paar Minuten automatisch den Glukosegehalt in der Gewebeflüssigkeit des Unterhautfettgewebes. Die Messdaten funkt der Sensor per NFC (Nahfeldkommunikation) oder Bluetooth an die Hersteller-App auf dem iPhone, Dexcom stellt auch eine App für die Apple Watch bereit. Die Apps dokumentieren nicht nur die Messdaten, sondern warnen den Patienten auch, wenn eine Messung zu hohe Werte ergeben hat oder wenn eine gefährliche Unterzuckerung droht.

©Medisana
Diabetes per App kontrollieren
Um Applewatch oder iPhone zum Diabetes-Management zu nutzen, muss man aber nicht unbedingt in neue Geräte investieren. Es gibt gute (oft auch kostenlose) Diabetes-Apps, die auf dem iPhone und der Apple Watch laufen und beim Management der Krankheit helfen. Sie verbinden sich nicht nur mit dem Blutzuckermessgerät des Patienten, sofern es Bluetooth versteht, und dokumentieren so die Messwerte. Sie unterstützen auch den Patienten: je nach App erinnern sie auch an die Medikamenten- und Insulineinnahme, Messzeitpunkte, alarmieren bei tendenziell zu hohen Blutzuckerwerten, verwalten auch Blutdruck, Bewegung oder Gewicht, um einen gesunden Lebensstil zu führen, und helfen beim richtigen Umgang mit Lebensmitteln.

Gute Apps sind jedoch schwer zu finden, schließlich gibt es Dutzende allein im deutschsprachigen App-Store. Die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft hat zusammen mit Partnern in ihrem (mittlerweile pausierten, da in Überarbeitung befindlichen) Projekt DiaDigital Diabetes-Apps geprüft und mit einem Qualitätssiegel ausgezeichnet. Die Experten empfehlen u.a. die Apps Diabetes Tagebuch von Jommi Online und Mytherapy von Smartpatient. Sie helfen dem Patienten bei seiner Erkrankung und legen Wert auf Datenschutz. Fast schon als Kumpel des Patienten, der ihn auch ermahnt und motiviert und auffordert, wenn er beim Kümmern nachlässig wird, sieht sich die aus Österreich stammende App mysugr , die laut eigenen Angaben weltweit rund zwei Millionen Nutzer haben soll.

Wer ein Blutzuckermessgerät ohne Bluetooth besitzt oder seine Messwerte nicht automatisch an das iPhone übertragen, sondern lieber manuell notieren will, kann die iPhone-App Diabetes connect anschauen, um seine Messdaten einzutragen. In die Rubrik Tagebuch lassen sich die Blutzucker-Werte eintragen, daneben auch Blutdruck und Puls sowie Gewicht und diese Daten grafisch darstellen. Die App erzeugt auch ein PDF aus den Daten, um es zum Arzt zu senden. Ferner lassen sich Mahlzeiten und Sport hinzufügen sowie Insulin und Medikamente verwalten.

Eine Frage des Datenschutzes
Jedoch muss man den meisten App-Anbietern blind vertrauen, dass sie mit den persönlichen Daten ihrer Kunden nicht hausieren gehen. Schließlich speichern fast alle Apps die Messdaten in der Cloud. Das bringt zwar Sicherheit, denn die Daten können dadurch nicht verloren gehen und stehen überall zur Verfügung. Wo die Server stehen und ob sie der europäischen Datenschutzverordnung unterliegen, das verraten die Anbieter jedoch nicht immer in ihrer Datenschutzverordnung. Während beispielsweise Medisana (speichert in Deutschland) und iHealth (Frankreich) ihre Server in der EU stehen haben und damit der europäischen Datenschutzrichtlinie unterliegen, speichern Beurer, OneTouch, Dexcom und Freestyle die Daten ihrer Kunden auch außerhalb der EU.

Da der Patient zudem immer ein Kundenkonto einrichten muss, sollte man darauf achten, zum Anmelden eine bislang unbenutzte Mail-Adresse zu verwenden, die zudem keine persönlichen Informationen enthält wie Name oder Adresse. Das erschwert bei unberechtigtem Datenzugriff, die eigenen Messdaten mit anderen Accounts des Patienten zu verknüpfen.
Die Apps sind zudem immer nur als Tool zu verstehen. Patienten sollten keine Eigendiagnose anhand der Daten und Statistiken stellen, Änderungen am Verlauf immer mit dem Arzt besprechen und nicht etwa eigenmächtig die Therapie ändern. Experten raten zudem, sich nicht von den Daten abhängig zu machen, sondern sie nur therapiebegleitend zu sehen.

Besonders für Diabetiker, die Insulin spritzen, können auch die Notfall-Funktionen von Apple Watch und iPhone nützlich sein, um beispielsweise bei einer drohenden Unterzuckerung bei einer Wanderung fernab der Zivilisation oder abends unterwegs auf menschenleerer Straße, Hilfe rufen oder Angehörige informieren zu können. In so einem Fall kann auch eine aktivierte Sturzerkennung in der Apple Watch sowie gepflegte Notfallkontakte und ein informativer Notfallpass im iPhone lebensrettend sein. Ist keine Apple Watch gewünscht oder vorhanden, können auch Sturzarmbänder anderer Anbieter über das iPhone Hilfe holen.