Nicht die Hippie-Hymne “California Dreaming” von The Mamas & The Papas setzte gestern das musikalische Thema, sondern der im gleichen Jahr 1967 erschienene Motown-Hit “California Soul”. Kenner wissen: Motown nannte man den auf Soul basierenden Musikstil, der in den 60ern von Detroit aus den musikalischen Zeitgeist beeinflusste – und der wie auch der Westküstenklang jener Ära zeitlos wurde. In den Nachkriegsjahren schlug das Herz der US-Industrie in Detroit, jener Motown, in der die Autoindustrie ihr Zentrum hatte. Es war aber auch das Jahr 1967, das eine Zeitenwende einleitete, mit jenen Riots von Detroit, in die man etwa in Jeffrey Eugenides’ Roman ” Middlesex ” eintaucht. Das Herz der US-Industrie schlägt längst in Kalifornien – doch hat sie nicht die Industriearbeitsplätze zurückbringen können, die mit dem Niedergang der Automobilherstellung in den USA verloren gegangen sind. So viel zur Einordnung des Settings, musikalische Konnotation kommt nicht von ungefähr. Schon gleich gar nicht bei Apple, bei dessen Shows nichts ungeplant ist – selbst die scheinbare Spontaneität.
Evolution statt Revolution
Apple hat vor etwas mehr als 14 Jahren das Smartphone zwar nicht erfunden, mit dem iPhone aber alles richtig gemacht und bestehende Technologien mit der Apple-Philosophie des “Ease of Use” perfekt miteinander verschmolzen. Seither entwickelt sich das iPhone von Jahr zu Jahr fort, mit einem deutlichen Sprung nach den ersten zehn Jahren, der den 2007 als einzige Taste hochgelobten Home-Button auch noch überflüssig machte. Die Revolution fällt seither aber aus, das liegt in der Natur der Dinge. Damit der Smartphone-Industrie im Allgemeinen und Apple im Speziellen nicht das Schicksal der Detroiter Industrie droht, setzt Apple eben auf kontinuierliche Evolution. Jedes Jahr ein neues iPhone zu erfinden käme dem unerreichbaren Ziel nahe, das Rad neu zu erfinden.
Also macht man es von Jahr zu Jahr besser. Damit spricht Apple nicht immer die überschaubare Zielgruppe derjenigen an, die auch wirklich jedes Jahr die neueste Mode haben wollen, sondern vor allem diejenigen, die nach zwei bis fünf Jahren nach einem Upgrade suchen. Von der eigenen Marke oder einer anderen. Was die Nutzung betrifft, kann Apple vor allem die Kamera Jahr für Jahr verbessern – die Optik dabei nur in Details. Die relativ kleinen CCDS (die lichtempfindlichen Chips im Inneren) und die bis zu drei nicht allzu ausufernden Objektive sind von der Physik begrenzt. Also macht Apple das, was Cupertinos Ingenieure und ihre Partner in UK und Taiwan am besten können: Das SoC, jetzt A15 genannt, kann man immer noch von Jahr zu Jahr deutlich verbessern. Die Optik ist für ein Smartphone nicht übel, aber über die Fotoqualität entscheiden Halbleitertechnik und Algorithmen. Selbst vom iPhone 12 (Pro) begeisterte Nutzer ziehen ernsthaft ein Upgrade schon nach einem Jahr in Betracht. Es gab aber auch Zeiten, in denen Ford, Chrysler und General Motors Jahr für Jahr attraktive Neuerungen auf die Straße brachten.
Der nächste Sprung – Apple ist bereit
Ähnlich zurückhaltend hat sich die Apple Watch weiter entwickelt. Sicher, der Bildschirm ist wieder etwas größer geworden, ohne dass sie klobig am Handgelenk wirkte. Und die schnellere Aufladung kompensiert ein Stück weit die Problematik, dass der Akku bei der geforderten Leistung der Uhr seine Grenzen hat und nicht mehr als einen ganzen Tag durchhält. Spektakulär ist das nicht, weiter wartet man auf bahnbrechende neue Gesundheitsfeatures. Die Messung von Blutdruck und Blutzucker mit Spektroskopie ist nicht trivial zu miniaturisieren, unter Umständen werden Apple-Watch-Modelle mit diesen Technologien ganz anders aussehen als heute – vor dem nächsten Jahr sehen wir nichts in der Richtung. Und das sagen wir beinahe jedes Jahr …
Für das iPad gilt an sich das Gleiche: keine Revolution, nur Evolution. Das iPad Mini macht immerhin einen großen Schritt, doch ist der Formfaktor ohne Home-Button nichts Neues. Überrascht hat hier der A15 – das vor einem Jahr derart renovierte iPad Air kommt mit dem A14 aus. So ist das neue iPad Mini ein Angebot für diejenigen, die zum Telefonieren lieber ein kompakteres Gerät wie das iPhone 12/13 Mini oder das iPhone SE verwenden – und für die ein Telefon mit großem Bildschirm kein guter Kompromiss ist.
Von Zeit zu Zeit muss aber auch ein innovatives und erfolgreiches Unternehmen wie Apple mit völlig neuen Produkten herauskommen. Cupertino ist vorbereitet, das Thema AR/VR spielt bereits in iPhone und iPad eine wichtige Rolle und schreit geradezu nach der nächsten Apple-Revolution. AR- oder VR-Brillen sind nichts Neues, aber ähnlich nützlich wie “Smartphones” vor dem iPhone. Apples Ziel ist es erneut, bestehende Technologien mit dem bekannten Ease of Use zu einem Produkt zu kombinieren, dem man nicht widerstehen kann. Das dauert noch, vielleicht kommt 2022 zu früh.
Bis dahin träumen wir weiter von Kalifornien und erfahren Apples Soul in jedem Jahr geringfügig verändert.