Elf Jahre sind gerade in der IT-Branche am Ende der Ära des Moore’schen Gesetzes eine lange Zeit, und doch wieder nicht. Elf Jahre gehen schnell vorüber: Am 5. Oktober 2011 verstarb Steve Jobs an den Folgen seiner langjährigen Krebserkrankung, in Europa war bereits der 6. Oktober angebrochen.
Man hätte es ahnen können, am 24. August hatte Steve Jobs 2011 seinen Posten als CEO endgültig aufgegeben, weiterhin wolle er beratend im Hintergrund aktiv sein. Optimisten wie wir hatten daher vermutet und gehofft, dass er sich bei der Vorstellung des iPhone 4S – dem ersten Gerät mit der sprechenden Assistentin Siri, der wir uns gestern an dieser Stelle widmeten – vielleicht ja per Videoschalte aus dem Home-Office melden würde – aber die Agonie war bereits zu weit fortgeschritten.
Lange Leidenszeit seit 2003
Schon ein paar Wochen später erfuhr man einige der Hintergründe, die Apple und Steve Jobs bis dahin in Euphemismen wie “kurative Auszeit” oder “Stoffwechselstörung” versteckt hatten. Auch erfuhr man von den Zweifeln Jobs’ ob das Abwarten nach der ersten Diagnose 2003 und die frutarische Ernährung wirklich so klug war – doch hatten seinerzeit die Ärzte auch im Falle einer raschen Operation nur eine Lebenserwartung von fünf Jahren geben können. Vermutlich aber hätte ein Jahr vorher nicht schon die Leber Metastasen gehabt und bei deren Transplantation 2009 das Bauchfell. Selbst Vordenker sind hinterher immer klüger.
Ein Geheimnis hat Steve Jobs ins Grab genommen. Aber vielleicht war er auch nur einem Irrtum aufgesessen, als er seinem Biografen Walter Isaacson davon erzählte, er hätte das Fernsehen “geknackt” und wisse nun, wie ein disruptives Apple-Produkt aussehen müssten. Schnell machte die Mär von einem Apple-Fernsehapparat die Runde, aber selbst wenn Cupertino ein Gerät dieser Art entwickelt hätte, wäre bald klar gewesen, dass in der Sparte kaum Margen zu holen sind. Wie weit Apple wirklich in der Entwicklung vorangeschritten war und wer letztendlich aus welchen Gründen den Stecker zog – wir wissen es nicht. Glauben aber zu ahnen, dass bei Apple in der Tat auf ein “Ja” erst einmal tausend Mal “Nein” kommen muss.
Statt auf einen Glotz-Apparat setzt Apple heute auf Services – und darauf, sein Programm Apple TV+ auf möglichst viele Geräte zu bringen, nicht nur die eigenen. Wiederkehrende Umsätze, nur wenige Dollar pro Nutzer, aber schon Apple hat verdammt viele Nutzer – jetzt kommen die mit Smart-TVs hinzu. Sollen sich doch die anderen an winzigen Margen die Finger verbrennen.
Was von Steve Jobs bleibt
Elf Jahre nach dem Ableben des Gründers und legendären Produktvisionärs ist Steve Jobs in Cupertino allgegenwärtig – nicht nur als Namensgeber des Steve Jobs Theater, das Apple seit diesem Herbst auch wieder für Keynotes mit Publikum nutzt. Die heutige Führungsriege in Cupertino fragt sich aber wohl nur noch selten, was Steve tun würde – sie tun es einfach – gewiss auch in seinem Sinne, denn gegen Ende des Lebens hatte Steve Jobs Apple selbst als sein größtes Produkt betrachtet.
Apple für die Welt nach dem Smartphone bereit
Steve Jobs’ Nachfolger als Apple-CEO Tim Cook, den man ohne Weiteres als einen Vertrauten des Gründers bezeichnen kann, mag etwas weniger visionär sein, was Produkte betrifft – zumindest bisher. In den letzten elf Jahren hat auch er, der manchen Apple-Fanboys immer noch als dröger Technokrat gilt, aber auch Hardware und Software vorangebracht. Die Apple Watch, von der man bei Apple anfangs gar nicht so recht wusste, welchen Sinn und Zweck sie erfüllt, sollte es allmählich auf Rezept geben – Gesundheitsgerät statt Schmuckstück, Jahr für Jahr kommen neue Ideen hinzu. Leider kann selbst die Apple Watch Ultra keinen Krebs heilen und wird dabei vermutlich nie hilfreich sein.
Der Wechsel von Intel zu eigenen Chips im Mac – nicht ohne Risiko, aber nicht nur in Sachen Leistungsfähigkeit die beste Entscheidung für ein Produkt, das selbst Steve Jobs in den letzten Lebensjahren ein wenig stiefmütterlich behandelte. Oder eben die Idee, Apples Ökosystem in Sachen Services auszuweiten und damit letztendlich von Geräten unabhängig zu machen – das wird sich langfristig auszahlen.
Das iPhone wird noch lange gewaltige Geldströme nach Cupertino spülen, am 27. Oktober erwarten wir die nächsten Rekordergebnisse. Die Zeit nach dem Smartphone hat jedoch bereits begonnen. So könnte nächste große Ding in Gestalt einer Hardware Apple bereits in petto haben: Bis Tim Cook den ersten Prototypen einer AR/VR-Brille durch die Gegend schleudern wird, kann es nicht mehr so lange dauern, Optimisten tippen auf das Frühjahr 2023. Wichtiger werden für Apples künftigen Erfolg aber die Software und die Services dahinter sein. Den Anspruch, Software so natürlich werden zu lassen, als sei sie gar nicht da, den “Ease of Use”, den schon die Oberfläche des Mac im Januar 1984 zeigte, kann Apple nicht hoch genug hängen. Das ist tief in der DNA des Unternehmens verankert – Steve Jobs’ Vermächtnis.