Es gibt Filme, da möchte man die Zeit am Liebsten etwas schneller drehen. Und auch Hörbücher haben manchmal so ihre Längen, in denen man dem Sprecher gerne mal Beine machen würde. In der Welt der mechanischen Datenträger wie VHS- und Audio-Kassette, CD oder DVD, ging das über den schnellen Vorlauf – allerdings Technik bedingt mit nervigem Ton oder gar stumm und großen, holprigen Bildsprüngen.
Die Streamingtechnologie von heute bietet da mittlerweile mehr Möglichkeiten: mit der richtigen App spielt man Video- und Audiodateien nach Belieben schneller oder auch langsamer ab. Und zwar so, dass man trotzdem noch alles mitbekommt.
Möglich macht es die digitale Technik. Damit beschleunigtes Abspielen nicht in einer Mickey-Maus-Stimme und springenden Bildern endet, speichert der Player während der Wiedergabe die Video- und Audiodaten zwischen und schneidet sich wiederholende Audiofrequenzen im Millisekundenbereich heraus, und zwar umso häufiger, je schneller der Vorlauf sein soll. Anschließend werden die Reste über mathematische Algorithmen wieder miteinander verbunden, sodass die Tonhöhe erhalten bleibt. Der Zuhörer merkt davon nichts, außer dass der Ton jetzt schneller läuft. Ähnlich läuft es bei der Zeitkomprimierung des Videomaterials, wo unter anderem identische Einzelbilder herausgeschnitten werden.
Wann die Beschleunigung hilfreich ist
In vielen Situationen ist schnelleres Abspielen sinnvoll. Zwar werden sich echte Kinofreaks ihre Filme auch weiterhin in der originalen Abspielgeschwindigkeit ansehen. Doch zum schnellen Überblick verpasster Serienfolgen, Dokus und Reiseberichten auf Streaming-Plattformen wie Netflix & Co, den Mediatheken der Fernsehsender, aber auch von Lernmaterial sowie Hörbüchern und Podcasts eignet sich das beschleunigte Abspielen hervorragend. Eine um 10 Prozent höhere Abspielgeschwindigkeit macht sich beim Sehen und Hören nur wenig bemerkbar, verkürzt aber die nötige Zeit bei 100 Minuten Material auf 90 Minuten.
Richtige Schnellgucker, englisch Speedwatcher genannt, sehen sich ihre Serien, Dokus oder Videovorlesungen der Uni etwa 10-20 Prozent schneller an als normal, also um den Faktor 1,1 bis 1,2. Nach einer Eingewöhnungszeit gehen manche Speedwatcher aber auch bis zur doppelten Abspielgeschwindigkeit – so schaffen sie doppelt so viele Folgen wie normal.
Das schnellere Konsumieren beispielsweise von online abrufbaren Vorlesungen von der Uni oder Lernmaterial hat dabei möglicherweise noch einen netten Nebeneffekt: Studenten der Brigham Young University spielten versuchsweise Lernvideos der Uni 80 bis 120 Prozent schneller ab. Das Wortfeuerwerk offenbarte eine positive Nebenwirkung: durch das beschleunigte Abspielen schien der Lerneffekt bei den Studenten größer zu sein, da sich der Zuhörer stärker konzentrieren muss und so mehr Leistung vom Gehirn abfordert.
Erst 2020 lies ein Team um David Lang von der kalifornischen Stanford University ihre Studenten Videos mit dem Faktor 1 oder 1,25 abspielen und stellten fest: Wer schneller konsumierte, hatte tendenziell bessere Noten in seinen Fächern , schaute sich mehr an als die anderen und sicherte sich mehr Scheine.
Wann langsamer sinnvoll ist
Aber auch langsameres Abspielen hat seine Einsatzgebiete. Viele Ältere oder Menschen mit Handicap verstehen langsam Gesprochenes besser und können so den Nachrichten aus den Mediatheken oder Spielfilmen besser folgen. Macht das Lesen von Büchern Probleme, sind langsamer abgespielte Hörbücher für sie eine Alternative. Auch wer sich auf Youtube eine Anleitung ansehen möchte, um beispielsweise ein Lied auf dem Klavier oder der Gitarre nachzuspielen, kann ihr besser folgen, wenn sie langsamer abläuft. Wer eine Fremdsprache lernen will und sich dazu Filme mit einer anderen Tonspur und zusätzlich deutschen Untertiteln dazu ansieht, versteht bei langsamerem Abspielen besser und mehr.
Aber: noch gehört eine variable Abspielgeschwindigkeit nicht in allen Medienplayern und Apps auf Mac und iPhone/iPad zum Standard.
Youtube erkannte als einer der ersten die Möglichkeiten des variablen Abspielens auf allen seinen Portalen: in der mobilen App lässt sich die Funktion beim Abspielen eines Videos rechts oben über das Erweitert-Menü (mit den drei Punkten übereinander) aufrufen und dort die gewünschte „Wiedergabegeschwindigkeit“ in 0,25-Schritten schneller oder langsamer einstellen. Genauso einfach funktioniert es im Browser auf dem Mac: während des Abspielens das Einstellungs-Zahnrad unten im Bild anklicken und dort die Wiedergabegeschwindigkeit anpassen.


Auch Netflix hat mittlerweile erkannt, dass Speedwatching besonders bei Serien Sinn ergibt. Beim Abspielen eines Videos in der mobilen App unten auf „Geschwindigkeit“ tippen und dort nach Belieben schneller oder langsamer auswählen. Läuft Netflix auf dem Mac im Browser, kann man während der Wiedergabe unten auf das Symbol mit dem Tachometer klicken und die Abspielgeschwindigkeit justieren.


Apple TV+ und Disney+ bleiben bei ihrem Tempo
Die anderen beliebten Streaminganbieter für Filme und Serien, allen voran Amazon Prime Video, Disney+ und Apple TV+, bieten derzeit von sich aus keine variable Abspielgeschwindigkeit, weder mobil noch im Browser. Sie wollen ihren Nutzern stets das bestmögliche Filmerlebnis präsentieren. Bei schnellerer Wiedergabe aber steigt auch der Datendurchsatz stark an. Ist die Internetleitung oder die Hardware dafür nicht schnell genug, kann der Film ins Stocken kommen. Dieser Diskussion mit dem zahlenden Kunden wollen die Anbieter aus dem Weg gehen.
Allerdings lässt sich zumindest auf dem Mac die fehlende Funktion mit einer kostenlosen Browser-Erweiterung nachrüsten. Wer seine Filme über den Firefox- oder Chrome-Browser streamt, installiert sich dafür die bewährte Erweiterung „ Video Speed Controller “. Die Browser-Erweiterung lässt sich für den Chrome-Browser über die offizielle Website chrome.google.com/extensions und Eingabe von „Video Speed Controller“ herunterladen. Nutzer von Firefox finden die Browser-Erweiterung unter dem Link addons.mozilla.org . Nach dem Aktivieren der Erweiterung im Browser zeigt das Drücken der Taste „v“ die aktuelle Abspielgeschwindigkeit, die Taste „s“ spielt den Film langsamer, „d“ schneller ab.

Wer lieber mit Apples eigenem Safari-Browser unterwegs ist, lädt sich auf dem Mac im App-Store das Programm „ Accelerate for Safari “ herunter, startet es und aktiviert anschließend die Erweiterung in Safari im Menü „Safari/Einstellungen/Erweiterungen“. Fortan lässt sich die Abspielgeschwindigkeit während eines Films mit den Tasten „s“ bzw. „d“ herauf- bzw. herabsetzen.
Im Browser geht es besser
Auch die immer beliebter werdenden Mediathek-Dienste der TV-Sender legen inzwischen nach. Die Mediatheken von ARD und ZDF erlauben zwar nicht in der mobilen App, aber immerhin im Browser auf dem Mac die Abspielgeschwindigkeit zu verändern. Die Mediatheken der großen Privatsender erlauben das nur über eine der oben erwähnten Browser-Erweiterungen.

Variables Abspielen funktioniert dabei nicht nur beim Streamen. Lokal auf einer externen Festplatte, Internetfestplatte (NAS) oder direkt dem iPhone/iPad gespeicherte Filme oder MP3-Dateien lassen sich beispielsweise über die kostenlose Open-Source-App VLC schneller oder langsamer abspielen. Die App gibt es für iPhone/iPad und Mac. Über den Menüpunkt “Wiedergabe” lässt sich bei dem Player die Abspielgeschwindigkeit einfach justieren. Die VLC-App gibt es aber auch für den Amazon Fire TV-Stick, Googles Chromecast oder Apple TV, sodass sich darüber die Filme auch auf dem heimischen Fernseher schneller oder langsamer abspielen lassen.
Aber auch Audiomedien eignen sich gut, um sie schneller oder langsamer anzuhören, hier in erster Linie Hörbücher und Podcasts. Das sehen bislang einige große Anbieter wie Deezer und Spotify allerdings anders, denn sie haben diese Funktion weder in ihren Apps noch auf der Website integriert. Zumindest aber für Spotify-Abonnenten gibt es mit der App Eary eine mobile Dritt-Lösung: nach dem Download aus dem App-Store startet der Spotify-Nutzer die Eary-App, meldet sich darüber auf seinem Premium-Spotify-Account an und hat fortan vollständigen Zugriff auf seine Hörbücher dort. Deren Wiedergabe erfolgt jedoch über den Eary-Player, und der erlaubt bei Wiedergabe eines Hörbuchs die Abspielgeschwindigkeit beliebig anzupassen.

Auch viele Podcast-Apps bieten variable Abspielmöglichkeiten, denn in vielen Fällen geht es hier meist um die Vermittlung von Informationen und weniger um Emotionen. Wer allerdings seine Podcasts in der gleichnamigen Apple-App organisiert und anhört, der kann jeden seiner Podcasts in variabler Abspielgeschwindigkeit anhören, denn Apples App unterstützt diese Funktion. Während des Abspielens einer Podcast-Folge steht bei normaler Abspielgeschwindigkeit eine „1“ in Lila eingefärbt links unten in der App. Durch wiederholtes Antippen lässt sich der Podcast in Schritten schneller und dann wieder langsamer abspielen. Die Podcasts-App auf dem Mac beherrscht das im Übrigen auch, hier muss der Nutzer allerdings den Menüpunkt „Steuerung/Wiedergabetempo“ im App-Menü dazu aufrufen.