Die meisten Produkte von Apple sind gut bis sehr gut, mit einigen wenigen Ausnahmen. Das Lightning-Kabel ist eine davon.

Für manche unserer Meinungs-Beiträge drängen sich Themen direkt auf, bei anderen muss man regelrecht in den Kaninchenbau klettern. Die Idee zu diesem hier ist auf einem Überflug zu Weihnachten entstanden. Sie wissen schon, flüchtige Blicke oder Momentaufnahmen einer Situation entpuppen sich als etwas Größeres, weil man in dieser Zeit zwischen den Jahren und den Welten viel Zeit zum Nachdenken hat. Der entscheidende Blick für diesen Artikel ist an einer Ladesäule am Flughafen entstanden: Ich habe mein Handy an einer Steckdose angeschlossen und blieb daneben sitzen, kurze Zeit später kam ein Mann mit seinem Handy, schloss es an eine andere Dose an und ging wieder an seinen Sitzplatz in der Nähe. Mit einem kurzen Seitenblick habe ich wahrscheinlich berufsbedingt registriert: "Ist bestimmt ein iPhone". Etwas später kam am besagten Handy eine Nachricht ein, mit einem markanten Klingelton, der meine Annahme bestätigte – Notiz (Standard) heißt er in den iPhone-Einstellungen.
Erst später ist mir aufgefallen, dass das Handy ausgeschaltet war und mit dem Display nach oben an der Ladesäule lag. Das heißt, in diesem Zustand sah das vermeidliche iPhone wie hunderte anderer Smartphone-Modelle aus, mit einem schwarzem rechteckigen Bildschirm mit abgerundeten Ecken. Wieso habe ich dann sofort gewusst, dass es ein iPhone war? Es könnte genauso gut ein Pixel, ein Galaxy, Mi oder ein anderes Smartphone sein. Nur wenn ich das Bild des Geräts an der Ladesäule aus dem Gedächtnis ausgekramt habe, ist mir klar geworden, woran ich die Marke festgemacht habe: Die Steckerummantelung der Ladebuchse am Handy war gesprungen.
Wenn Sie ein iPhone-Modell mehr als ein Jahr genutzt haben, wissen Sie mit großer Wahrscheinlichkeit, wovon ich rede: Neben den Kabelummantelungen direkt vor der Anschlussstelle an dem Stecker (Aufmacherbild) sind Steckerummatelungen um den Lightning-Chip besonders für Brüche anfällig. Freilich, nicht jeder iPhone-Anwender ist von diesen Problemen betroffen, auch entsprechende Pflege kann die Lebensdauer des Lightning-Kabels verlängern, mehrere Tipps haben wir hier zusammengefasst . Das Argument "Bei mir ist noch nie ein Lightning-Kabel kaputtgegangen" ist hier wohl zu schwach, nicht umsonst landen die an sich kostenlosen Zubehörartikel auf den Top-Plätzen der Drittverkäufer wie Best Buy .
Klar, man soll das Kabel nicht zu eng wickeln und nicht in die Sonne legen, immer am Stecker und nicht am Kabel abziehen und so weiter, aber wenn man einen Alltagsgegenstand wie ein rohes Ei behandeln muss, hat es sein Ziel verfehlt, nützlich zu sein. Paradoxon der Geschichte: Will man sein in die Jahre gekommenes iPhone oder iPad an Verwandte oder Bekannte weitergeben, tauscht man meistens noch den Akku aus und legt ein neues Kabel eines Drittherstellers bei, weil das Originalkabel wenn nicht zerfranst, dann richtig abgenutzt und alt aussieht. Ein hochkomplexes Gerät wie ein iPhone hat also eine höhere Lebensdauer als sein deutlich primitiveres Kabel! Verrückt.
Sicherlich, Apple steuert auf eine drahtlose Zukunft zu und vielleicht schon in fünf Jahren wird sich ein Ladekabel richtig antiquiert anfühlen. Aber bis dahin verkauft der Hersteller zig Millionen iPhones mit einem Produkt in der Verpackung, das bei vielen Nutzern schnell brechen oder springen wird und schließlich im Müll landet. So richtig kauft man deswegen das Umweltargument beim fehlenden Netzteil nicht ab.
Es ist ja auch nicht so, dass Apple grundsätzlich nicht imstande wäre, gute Hardware herzustellen. Beim Mac Pro liegt ein geflochtenes Thunderbolt-Kabel bei, das dazu noch richtig gut aussieht. Im Sommer kursierten Gerüchte , dass Apple seine Lightning-Kabel ab dem iPhone 12 in solcher Form ausliefert, doch dies hat sich nicht bestätigt. Blickt man auf die Apple-Watch-Armbänder, weiß man, dass Apple auch Alltagsgegenstände ohne viel Elektronik darin gut hinbekommen kann: Die Dinger sind quasi unkaputtbar und sehen nach einem kurzen Taufgang mit Spülmittel auch nach Jahren schneeweiß aus.
Deswegen hier unser Aufruf an Apple: Wenn schon in der Verpackung das Netzteil fehlt, dann sollte dem iPhone ein gescheites Kabel beilegen, das mindestens genauso lange hält wie das iPhone selbst.